Waise:
Waise f. ‘Kind, dessen Eltern verstorben sind’, ahd. weiso (9. Jh.), mhd. weise, mnd. mnl. wēse, nl. wees wird meist mit ahd. wīsan ‘(ver)meiden’ (9. Jh.; vgl. biwīsan, um 800) und lat. dīvidere ‘trennen, zer-, ab-, ein-, austeilen’ zu der unter Witwe (s. d.) dargestellten Ausgangsform ie. *u̯eidh-, *u̯idh- ‘trennen’ gestellt. Anders Seebold 547 f., der lat. vītāre ‘meiden’, toch. AB wik- ‘vermeiden, sich fernhalten von, verzichten auf’ heranzieht und von einer Wurzel ie. *u̯ei- ‘drehen, biegen’ (s. Weide1) ausgehen will. Schreibung mit ai entstammt bair.-öst. Schreibgewohnheit (s. auch Kaiser) und wird von Luther übernommen, so daß sich eine orthographische Unterscheidung zu Weise und weise ergibt. Ahd. weiso ist nur Mask., mhd. weise zeigt auch fem. Genus, das sich vom 18. Jh. an durchsetzt. verwaisen Vb. ‘die Eltern verlieren, verlassen werden, allein sein’, mhd. verweisen ‘zur Waise werden oder machen’.
Weise:
Weise f. ‘Art (des Verhaltens und Handelns), Beschaffenheit, Merkmal’, ahd. wīsa (8. Jh.), mhd. wīs(e) ‘Art, besondere Erscheinungsform’, asächs. wīsa, mnd. wīs(e), mnl. wīse, wijs, nl. wijze, wijs, aengl. wīse, engl. (selten) wise, anord. vīsa (‘Strophe, Vers’), schwed. vis sind zu der unter wissen (s. d.) abgehandelten Wurzel ie. *u̯eid- ‘erblicken, sehen’ gebildet, vielleicht auch (wie weise, s. d.) Weiterbildung eines alten s-Stammes, vgl. griech. é͞idos (εἶδος) ‘Aussehen, Gestalt, Beschaffenheit, Gattung’. Die Bedeutungsentwicklung verläuft von ‘Aussehen, äußere Erscheinung’ über ‘Beschaffenheit’ zu ‘Art des Verhaltens in einer gegebenen Situation’. Vgl. die formelhafte Verbindung Art und Weise (16. Jh.). Bereits bei Notker erscheint ahd. wīsa im Sinne von ‘Melodie’, lat. modulātus bzw. tonus übersetzend; dazu vgl. Wort und Weise ‘Text und Melodie’ (eines Liedes), mhd. wort und wīse. -weise Kompositionssuffix zur Bildung von modalen Adverbien, produktiv seit dem 16. Jh.; anfangs noch in getrennter Schreibung; vgl. legation weiß, erzweis (16. Jh.), dutzet weise, gesprächweiß (17. Jh.). Voraus gehen genitivische Fügungen wie mhd. in zornes wīs, in regenes wīs. In älterer Sprache wird überwiegend die kurze, e-lose Form verwendet.
"Hier steh ich nun ich armer Thor und bin so schlau als wie zuvor"