von Semperrogans » Mi 7. Nov 2012, 13:36
Ich würde einfach sagen, dass die Frage, ob nun die Philosophie die Grammatik oder die Grammatik die Philosophie gezeitigt habe, falsch gestellt sind, weil sich sprachliche und ideologische Entwicklung (letzeres ganz neutral gemeint) nicht stark genug von einander trennen lassen, als das auf diese Frage, wenn sie so krass formuliert und nur zwei mögliche Antworten zu lässt, eine Antwort möglich wäre.
Ich würde zu bedenken geben, wie sehr Aristoteles seine Logik an die Form von Sätzen angelehnt hat, um nicht zu sagen, er habe sie allein auf der Analyse der Form von Sätzen unter Abstraktion der konkreten Inhalte gewisser Paradigmen aufgebaut.
Auch heute reden wir noch manchmal von Prädikat, sowohl in der Grammatik als auch in der Philosophie. In China gab es keine Kopula und es hat sich auch Logik entwickelt, die irgendwie auf Prädikaten basiert. (Also wenn ich richtig informiert bin, dann eben nur durch europäischen Einfluss relativ spät. Ich kann aber kein Chinesisch, kann also nicht sagen, wie genau Sätze mit Prädikatsnomen dort realisiert werden - ganz anders jedenfalls, wahrscheinlich macht auch der Begriff "Prädikatsnomen" im Chinesischen keinen Sinn, das könnte ich mir gut vorstellen.)
Die Sache mit dem Wahrheitskonzept der Unverborgenheit wurde ja schon angesprochen, ich wollte dazu als Vergleich noch erwähnen, dass das althebräische Wort, mit dem man das deutsche "wahr" übersetzen würde, die Grundbedeutung "zuverlässig" hat und in Bezug auf Handlungen so verwendet wird.
Leider weiß ich nicht mehr genau, wie es heißt, transkribiert glaub ich teme oder so.
(Tja, mein Hebräisch-Selbststudium hat quasi garnicht funktioniert, aber das fand ich so interessant, dass es hängen geblieben ist.)
Der späte Heidegger hätte wohl dazu gesagt, dass die Isrealiten nur einen Begriff für Richtigkeit hätten, die ja auch seit Platon im Abendland mit Wahrheit verwechselt werde, aber keinen für Wahrheit.
Wen das näher interessiert, dem würde ich die von Heidegger selbst zusammengestellte Aufsatzsammlung "Wegmarken" empfehlen, darin befinden sich nämlich insbesondere die Aufsätze "Vom Wesen der Wahrheit" und "Platons Lehre von der Wahrheit." In letzerem Text gibt Heidegger auch eine eigene, stellenweise kommentierte Übersetzung des Höhlengleichnisses!
Dazu gibt es noch zwei seiner wichtigsten Texte, die jetzt aber nicht in besonderem Maße mit dem Wahrheit zu tun haben, aber dafür einer zum Beispiel auch viel mit Sprache: "Was ist Metaphysik?" (mit nachträglichem Vor- und Nachwort.) und "Brief über den Humanismus"
Darüber hinaus gibt es auch noch einen Text über das Konzept der Physis bei Aristoteles.
Also für Philosophokailogoi (das war jetzt kein richtiges Kompositum, ich weiß schon) eine nähere Überlegung wert, würde ich sagen.