Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Fragen zur Geschichte und Archäologie des griechisch-römischen Altertums

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Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon Medicus domesticus » Do 26. Mär 2020, 09:11

Nicht nur aufgrund der gegenwärtigen Krise beschäftige ich mich auf Anregung meines ehemaligen Prof. in der Geschichte der Medizin wieder mit Heilpflanzen. Darin stecken viele Grundlagen für Medikamente. Interessant sind auch die Erfahrungen der Antike.
Pedanios Dioskurides hat viel dazu beigetragen. Seine Erkenntnisse sind heute nicht mehr 1:1 zu übernehmen, aber bieten Denkanstöße. Seine De Materia Medica wurde z.B. von Prof Dr. Berendes übersetzt:
https://buecher.heilpflanzen-welt.de/Di ... ttellehre/
Die Originale sind frei zugänglich bei archive.org. Zum Vergleich unumgänglich (Griechisch, aber es gibt auch lateinische Fassungen).

Wenn es meine Zeit erlaubt, werde ich einzelne Heilpflanzen hier im Verlauf vorstellen.
Kommentare sind dann gerne erwünscht! :-D
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Re: Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon Veterinaria » Fr 15. Mai 2020, 21:15

Salve, lieber Medicus domesticus,

da ich bei meinen tierischen Patienten auch Heilpflanzen einsetze, warte ich gespannt darauf, welche Heilpflanze Du uns zuerst vorstellen wirst.
Eines der schönsten und umfassendsten Bücher, die es heutzutage darüber gibt, ist der (Max)Wichtl, "Teedrogen und Phytopharmaka". Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage. Kennst Du ihn? Meine Ausgabe, die vierte Auflage, ist 2002 erschienen. Unterdessen erschien 2015 die 6. Auflage, noch um 100 Seiten und mehrere Pflanzenbeschreibungen erweitert.

Also, mindestens eine Interessentin für Dein Projekt wäre vorhanden.

Vale,
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Re: Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 16. Mai 2020, 08:48

Salve Veterinaria,
Momentan habe ich leider wenig Zeit, da ich mich seit Mai 20 in einer zweiten Facharztausbildung zum FA für Klinische Mikrobiologie/Virologie und Hygiene in einer österreichischen Uniklinik befinde.
Ich besitze den Wichtl natürlich, da ich die Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren habe. Übrigens auch die 4. Auflage 2002. Auf Seite 399 befindet sich millefolii herba (Schafgarbenkraut), eine interessante Heilpflanze, die momentan in meinem Garten zu blühen beginnt:
IMG_4757 (2)-min.JPG
IMG_4757 (2)-min.JPG (92.48 KiB) 46499-mal betrachtet


Ein interessanter Wirkstoff ist das Achillicin *), ein Sesquiterpenlacton, das antiphlogistisch und antimikrobiell (was mich interessiert) wirkt. Zusätzlich hat Achillea millefolium antibakterielle Wirkung und krampflösende Eigenschaften. Ich mache aus meiner Schafgarbe ein Öl selbst, das sehr gut bei Hautentzündungen wirkt. Mit Bienenwachs kann man aus dem Öl eine aromatisch riechende Salbe machen. Die Heilpflanze ist altbekannt, auch bereits in der Antike. Mal sehen, wann ich wieder etwas mehr Zeit haben werde.
Vale :-D
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
* National Center for Biotechnology Information. PubChem Database. Achillicin, CID=131752003, https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov/compound/Achillicin (accessed on May 16, 2020)
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Re: Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon Medicus domesticus » So 17. Mai 2020, 09:10

Dioskurides erwähnt ebenfalls die Schafgarbe:
Unbenannt.JPG
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Re: Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon Veterinaria » Do 21. Mai 2020, 20:35

Salve Medicus Domesticus,

das mit dem Achicillin wusste ich nicht; dass Schafgarbe "gut gegen Blutflüsse" ist, hingegen schon - allerdings brauch(t)e ich da Millefolium Injeel i.v. : "Brauchte", weil die meisten Injeele von Heel bei uns nicht mehr erhältlich sind.
Die ersten zehn Jahre meines Lebens bin ich in einem kleinbäuerlichen Betrieb aufgewachsen und ab dem 4. Lebensjahr hat mir die Grossmutter "die Blumen am Wegrand" und ihre Verwendung nahe gebracht: Scharfgarbe, Kamille (gab es damals noch am Wegrand), Spitzwegerich, Schlüsselblume, Huflattich, Kornblume, usw.
Das haben wir alles gesammelt und dann Tee daraus gemacht.
Als dann im dritten Studienjahr Pharmakologie auf dem Stundenplan stand, war ich etwas enttäuscht: Die Phytotherapie lief unter "das gibt es auch noch". Z.B. der "Putztrank" für Kühe nach dem Abkalben (enthielt u.a. Sabina). 2001 wurde das letzte von einer Firma konfektionierte Produkt aus dem Handel genommen.
Mit dem Auftreten der multiresistenten Keime wurde ja in unserem Berufsstand die "Schuldigen" gefunden und unser einst sogenannter "freier Beruf" wurde von eifrigen Beamten geknebelt: Unterdessen müssen wir sogar die Einzeltierbehandlung (egal ob im Nutz- oder Heimtierstatus) mit AB zentral melden. Da werden dann alternative Therapien schon interessant. Aber auch da: Homöopathika unter D5 dürfen beim Lebensmittel liefernden Tier auch nicht eingesetzt werden: Wie wenn 3 x 5 Tabletten einer D2 ( z.B. Euphrasia D2 bei Hornhautverletzungen oder einfachen Konjunktivitiden, wenn sich die Tiere nicht gern lokal behandeln lassen) auf 600 kg Lebendgewicht einen Konsumenten vergiften könnten! Und in einem Buch mit dem Titel "Heilpflanzenkunde für die Veterinärpraxis" steht am Schluss bei den meisten Pflanzen: ... dürfen derzeit in der EU bei Lebensmittel liefernden Tieren nicht eingesetzt werden".
Da hatte es Dioskurides wohl doch einfacher ...

So, nun will ich Deine Zeit nicht weiter beanspruchen: Deine Weiterbildung, insbesondere in Virologie, ist gut gewählt!

Vale
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P.S.: Besten Dank für den Link über das Achillicin.
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Re: Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon Medicus domesticus » So 24. Mai 2020, 08:26

Danke für deinen Einblick in die Veterinärmedizin.. :)
Veterinaria hat geschrieben:..dürfen derzeit in der EU bei Lebensmittel liefernden Tieren nicht eingesetzt werden

Da sieht man wieder die Auswüchse der EU-Regelwut... :hammer:
Es gibt viele Heilpflanzen, die völlig unproblematisch anzuwenden sind. Unverständlich ist, dass sie bei einem Tier nicht angewendet werden dürfen, bei einem Menschen aber schon. Außerdem werden manche von ihnen auch draußen gefressen.
Veterinaria hat geschrieben:..und ab dem 4. Lebensjahr hat mir die Grossmutter "die Blumen am Wegrand" und ihre Verwendung nahe gebracht: Scharfgarbe, Kamille (gab es damals noch am Wegrand), Spitzwegerich, Schlüsselblume, Huflattich, Kornblume, usw.

Meine Großeltern waren besondere Freunde von Mädesüß und Weißdornblüten.
Bei mir kommen im Garten demnächst die Ringelblumen, die schon erste Blütenansätze zeigen. Ausgesät habe ich sie heuer an der Südseite, da sie sehr sonnenliebend sind. Sie wirken ebenfalls antimikrobiell und antiphlogistisch (Wichtl, S.100 Calendulae flos).
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Re: Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon Veterinaria » So 9. Aug 2020, 20:15

Salve Medicus domesticus,

kennst Du Dich mit Gemmo-Therapie aus? Erfahrungen?
Eine Kundin, Landsmännin von Dir und Heilpraktikerin, deren Pferd ich zur Zeit behandle, hat mich darauf gebracht. Und sie meinte, sie hätte immer mehr Erfolge damit. Deine Meinung würde mich interessieren.

Noch ein später Nachtrag zur Ringelblume:
Anfang 90er Jahre sonderte eine Stute im 10. Monat (sie tragen 11) dunkles Blut aus der Scheide, nicht viel, aber immer wieder. Ich fragte an der Uniklinik nach, und der Oberassistent, den ich am Draht hatte, riet mir, der Stute 2 mal täglich einen halben Liter Ringelblumentee über das Kurzfutter geben zu lassen. "Aber", sagte er am Schluss des Telefonates mit gesenkter Stimme, "das hast Du dann nicht von mir"!
Nach zwei Tagen hörte die Blutung auf und nach 14 Tagen kam ein Stutfohlen auf die Welt. Vierzehn Tage zu früh, aber gesund.
Die Besitzer tauften es "Fleur de Souci".

Vale
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Re: Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 10. Aug 2020, 11:38

Veterinaria hat geschrieben:kennst Du Dich mit Gemmo-Therapie aus? Erfahrungen?Eine Kundin, Landsmännin von Dir und Heilpraktikerin, deren Pferd ich zur Zeit behandle, hat mich darauf gebracht. Und sie meinte, sie hätte immer mehr Erfolge damit. Deine Meinung würde mich interessieren.

Gemmotherapie kenne ich in dem Sinne, dass man in der Naturheilkunde häufig auch die frischen Triebspitzen und ganz frischen Austriebe sammelt, die sicher auch substanzreich sind. Bei offenen Blüten bilden sich aber auch zusätzlich Stoffe durch Sonneneinstrahlung. Der Erfolg spricht immer für sich, wenn er objektiv nachweisbar ist.
Übrigens meine Ringelblumen im Garten, habe schon gesammelt:

img_4802.jpg
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Re: Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon Veterinaria » Mo 10. Aug 2020, 20:05

Salve lieber Medicus domesticus,

danke für Deine Antwort.
Es handelt sich um Mazerate von Knospen. Der Ausdruck "Gemmo" soll auch aus dem Lateinischen stammen, von "gemma"/Knospe. Warum daraus "Gemmo" geworden ist ?
Es gibt ein 240 seitiges Buch "Gemmotherapie" von Cornelia Stern, ISBN 978-3-13-241280-4, erschienen 2018. Ich werde mir das einmal zulegen.
Und Du hast natürlich recht, gerade von der Naturheilkunde muss ja der Erfolg immer objektiv nachweisbar sein. Bei der Schulmedizin bin ich mir nicht so sicher...
Zum Schluss: Ich beneide Dich um Deinen Garten (ich habe keinen). Er wird Dir sicher ein Quell der Erholung sein, bei dem Corona-Stress den Du aktuell hast (wäre auch interessant, einmal mit Dir darüber zu diskutieren, aber am ehesten wohl unter "Sonstigem". Nur soviel: Bei den interstitiellen Bronchitiden der Pferde brauche ich, wenn die sechswöchige Cortison-"Kur" nicht anschlägt, Hirschzungenkraut oder -farn geschnitten. Lateinisch: Asplenium scolopendrium L./pharm. Scolopendrii herba. Die Pflanze soll auch bei Dioskurides schon erwähnt worden sein (gemäss Wikip.) und sie wächst auch in Bayern).

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Re: Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 10. Aug 2020, 21:32

Ja, mein Garten ist meine Entspannung nach der stressigen Arbeit. Gerade die Blumen und das Gießen macht mir Freude.
Die Schulmedizin ist sicher bei massiven Bronchitiden bei Pferden angebracht. Hast du bei leichteren Formen schon Spitzwegerich in Erwägung gezogen, z.B. als Preßsaft?
Jetzt geht es aber ins Bett, da morgen wieder ein stressiger Tag wartet.

Vale veterinaria :)
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Re: Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon Medicus domesticus » So 23. Aug 2020, 09:04

So sieht Basilikum nach 2-3 Monaten aus, wenn man ihn draußen wachsen lässt. Wir haben ihn in ein tönernes Balkongefäß gepflanzt und auf die Terrasse gestellt. Er bildet dann kleinere, robustere Blätter und weiße Blüten auf hohen Rispen. Dioskurides erwähnt ihn schon in seinem Werk. Bei uns ist es eine bekannte Gewürzpflanze:

img_4822.jpg
Zuletzt geändert von Medicus domesticus am So 23. Aug 2020, 09:10, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon Medicus domesticus » So 23. Aug 2020, 09:08

Unbenannt.JPG
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Re: Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon iurisconsultus » So 23. Aug 2020, 10:55

Veterinaria hat geschrieben:Hirschzungenkraut oder -farn geschnitten. Lateinisch: Asplenium scolopendrium L./pharm. Scolopendrii herba. Die Pflanze soll auch bei Dioskurides schon erwähnt worden sein (gemäss Wikip.) und sie wächst auch in Bayern).

Plinius nennt das Hirschzungenkraut „lingua herba“ bzw. „lingulaca“. Es soll, verbrannt und mit dem Fett einer Sau verrieben, gegen Haarausfall helfen (Nat. Hist. XXIV, 170, XXV, 133). :lol:
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Re: Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon Veterinaria » Di 25. Aug 2020, 18:06

Salve iurisconsultus,

Du hast geschrieben:
Es soll, verbrannt und mit dem Fett einer Sau verrieben, gegen Haarausfall helfen (Nat. Hist. XXIV, 170, XXV, 133).

Daraus erkennen wir, dass Haarausfall offenbar schon für die Menschen der Antike ein Makel war und sie in ihrer Verzweiflung zu allem griffen, von dem sie glaubten, dass es Haarausfall stoppen könnte. War es das Fett von Wollsäuen, auch Mangalitza genannt, deren Fett einen hohen Anteil an Omega-3-FS enthalten soll ?
Seien wir froh, dass die heutigen Anti-Haarausfall Mittel dünnflüssig sind und Substanzen wie Coffein und/oder Ginseng etc. enthalten und meist angenehm riechen. Das Einzige was sie mit der "Plinius'schen Sau" gemeinsam haben: Sie sind "sau"-teuer.

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Re: Geschichte der Medizin/Heilpflanzen der Antike

Beitragvon Zythophilus » Do 3. Sep 2020, 15:15

Heilkräuter der Antike und des Mittelsalters konnten durchaus wirksam sein; man hatte im Laufe der Zeiten eben herausgefunden, dass es wirkte. Manches hielt man aufgrund des Aussehens für wirksam, während wieder anderes reine Magie war. Auch bei der heute so geschätzten Hildegard ist es nicht anders: Mit manchen ihrer Medikamente kann man sich ziemlich schädigen, und Kräuter, die den Teufel abwehren, zählen heutzutage nicht mehr zur Medizin.
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