Horaz Ode 3,11 resonare

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Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon ClaudiaK » So 30. Jan 2022, 19:07

Guten Abend,

ich kann mir die Verwendung des Infinitivs von resonare nicht erklären.
Handelt es sich überhaupt um einen Infinitiv? Könnte mir jemand helfen?


Mercuri, -- nam te docilis magistro
mouit Amphion lapides canendo, --
tuque testudo resonare septem
callida neruis,

nec loquax olim neque grata, nunc et 5
diuitum mensis et amica templis,
dic modos, Lyde quibus obstinatas
applicet auris, ....
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Re: Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon medicus » So 30. Jan 2022, 20:02

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Re: Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon ClaudiaK » So 30. Jan 2022, 21:15

Ach so: callida zu ergänzen mit es + Infinitv. :wink: Danke dir.
(Und kein historischer Infinitiv :oops: )
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Re: Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon Tiberis » So 30. Jan 2022, 21:18

Diese Abhängigkeit eines Infinitivs von einem Adjektiv (callida) ist in der Dichtung und späteren (!) Prosa keineswegs selten, besonders nach Adj. des Könnens und Wollens, der Fähigkeit und der Entschlossenheit (bzw. deren Gegenteilen). dazu siehe Kühner-Stegmann II,2,683ff
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Re: Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon Tiberis » So 30. Jan 2022, 21:20

ClaudiaK hat geschrieben: callida zu ergänzen mit es

da ist nix zu ergänzen !! (callida = Vokativ) ;-)
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Re: Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon ClaudiaK » So 30. Jan 2022, 21:31

Tiberis hat geschrieben:da ist nix zu ergänzen !! (callida = Vokativ)

Ach, na klar. Danke. Bei Merkur ist es mir noch aufgefallen, und bei der weiblichen Anrede entgeht mir das. Nicht zu fassen! :D
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Re: Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon Tiberis » So 30. Jan 2022, 22:56

übrigens halte ich die oben zitierte Übersetzung (lateinoase.de) für ziemlich schlecht, umso mehr, als sie sich nicht einmal am Versmaß (sapphische Strophe) orientiert.
Hier ein anderer Vorschlag, auch nicht optimal, aber wenigstens im Versmaß...




o Merkur- denn Amphions Lehrer warst du,
der ,begabt, durch Spielen die Steine rührte -
und auch du, o Laute , geübt mit sieben
Saiten zu klingen
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Re: Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon ClaudiaK » Mo 31. Jan 2022, 00:37

Tiberis hat geschrieben:o Merkur- denn Amphions Lehrer warst du,
der ,begabt, durch Spielen die Steine rührte -
und auch du, o Laute , geübt mit sieben
Saiten zu klingen,


arm dereinst an Tönen warst du willkommen
nicht, beliebt nun bist du bei reichem Tisch, in
Tempeln. Spiele Weisen, die Lydes taube
Ohren erhören,
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Re: Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon Tiberis » Mo 31. Jan 2022, 13:25

euge ! :klatsch:

den zweiten Vers könnte man noch leicht abändern, etwa so:

arm an Tönen früher und nicht willkommen,
lieben nun die Tische der Reichen und die
Tempel dich. Spiel Weisen, die Lydes taube
Ohren erhören

:)
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Re: Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon Sapientius » Mo 31. Jan 2022, 17:30

Bei so einem Text kommt ein alter Lateiner ins Schwärmen, es gibt soviel zu beobachten: testudo Metonymie, tu testudo Apostrophe; verschlungene Wortgruppen: "te magistro" und "docilis Amphion", und gleich wieder "testudo callida" und "septem nervis". Gebetsstil: Göttername am Anfang, Preisungen und Bitte am Ende: "dic modos ..."
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Re: Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon ClaudiaK » Mo 31. Jan 2022, 17:56

Tiberis hat geschrieben:den zweiten Vers könnte man noch leicht abändern, etwa so:

arm an Tönen früher und nicht willkommen,
lieben nun die Tische der Reichen und die
Tempel dich. Spiel Weisen, die Lydes taube
Ohren erhören

Diese Änderung gefällt mir sehr gut. Überhaupt gefällt mir das Metrum des Sapphischen Verses. Ich werde noch etwas damit herumexperimentieren. Auch stimme ich gerne der Bemerkung von Sapientius zu. :)
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Re: Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon ille ego qui » Di 1. Feb 2022, 15:51

Salvete,

nur eine kleine Ergänzung: Die Standard-Hilfs(!)übersetzung wird oft mit "[Adj.] in Bezug auf das [Inf.]" angegeben. Danach muss man aber natürlich schauen, was im Deutschen gut ist.

Was die Übersetzungskritik von Tiberis angeht, kann ich natürlich gut Nachvollziehen, dass man als Lateiner und Dichtungsfan gerne eine Versübersetzung sieht. Mitunter aber hätte ich mir bei älteren Übersetzungen gewünscht, dass sie lieber maximale Genauigkeit (und auch Eleganz) als angestrebt hätten als sich den Zwängen einer Versübersetzung auszuliefern. Denn manchmal scheint es nur so möglich zu sein, sowohl den Inhalt exakt herüberzubringen als auch maximal hilfreich zu sein für den, der eigentlich das Original durchdringen möchte (und vielleicht noch eher am Anfang steht).
Daher finde ich gerade für Internetseiten, die sich an Lernenden orientieren, Prosaübersetzungen auf jeden Fall keine schlechte Wahl.

:-)
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carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis
arma virumque cano ...
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Re: Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon Tiberis » Di 1. Feb 2022, 22:36

ille ego qui hat geschrieben:Daher finde ich gerade für Internetseiten, die sich an Lernenden orientieren, Prosaübersetzungen auf jeden Fall keine schlechte Wahl.

Zweifellos. Und mir ist natürlich bewusst, dass jede Übersetzung, insbesondere jede Übersetzung eines lateinischen Gedichtes, immer nur eine Krücke, eine Art Verständnishilfe sein kann und dem Original niemals annähernd gerecht wird. Zum Glück, könnte man jetzt sagen, denn auf diese Weise ist man genötigt, sich mit dem Originaltext zu befassen. :D
Dennoch gibt es mehrere Wege, sich auch in der deutschen Sprache diesem Originaltext anzunähern, wobei ich , gerade im Fall eines Horazgedichtes, kein Freund einer Prosawiedergabe bin, die den lyrischen Gesamtcharakter zwangsläufig zerstört. Um Kompromisse wird man ohnehin nicht herumkommen, egal ob man sich für eine Übersetzung in Prosa oder in Gedichtform entscheidet. Karl Vretska, mein Lehrer an der Uni Graz, sagte einst zu uns Erstsemestrigen, dass es praktisch unmöglich sei, lateinische Texte zu übersetzen. Recht hatte er, und wie sehr gilt das erst für eine Horazode!
Trotzdem (oder deswegen?) reizt es mich immer wieder, das Unmögliche möglich zu machen, auch wenn das letztlich zum Scheitern verurteilt ist. Im konkreten Fall gilt mein Versuch also der Ode 3,11 , deren erste beiden Strophen ja schon in Angriff genommen wurden...
(für Kritik bin ich, wie immer, dankbar! agedum, Christiane! :D )

XI

Mercuri, - nam te docilis magistro
movit Amphion lapides canendo, -
tuque testudo resonare septem
callida nervis,

nec loquax olim neque grata, nunc et 5
divitum mensis et amica templis,
dic modos, Lyde quibus obstinatas
applicet auris,

quae velut latis equa trima campis
ludit exultim metuitque tangi, 10
nuptiarum expers et adhuc protervo
cruda marito.

Tu potes tigris comitesque silvas
ducere et rivos celeres morari;
cessit inmanis tibi blandienti 15
ianitor aulae

Cerberus, quamvis furiale centum
muniant angues caput eius atque
spiritus taeter saniesque manet
ore trilingui. 20

Quin et Ixion Tityosque voltu
risit invito, stetit urna paulum
sicca, dum grato Danai puellas
carmine mulces.

Audiat Lyde scelus atque notas 25
virginum poenas et inane lymphae
dolium fundo pereuntis imo
seraque fata,

quae manent culpas etiam sub Orco.
Impiae (nam quid potuere maius?) 30
impiae sponsos potuere duro
perdere ferro.

Una de multis face nuptiali
digna periurum fuit in parentem
splendide mendax et in omne virgo 35
nobilis aevom,

'Surge', quae dixit iuveni marito,
'surge, ne longus tibi somnus, unde
non times, detur; socerum et scelestas
falle sorores, 40

quae velut nactae vitulos leaenae
singulos eheu lacerant. Ego illis
mollior nec te feriam neque intra
claustra tenebo.

Me pater saevis oneret catenis, 45
quod viro clemens misero peperci,
me vel extremos Numidarum in agros
classe releget.

I, pedes quo te rapiunt et aurae,
dum favet Nox et Venus, i secundo 50
omine et nostri memorem sepulcro
scalpe querellam.'


o Merkur- du lehrtest ja einst Amphion,
der begabt durch Spielen die Steine rührte -
und auch du, o Laute , geübt mit sieben
Saiten zu klingen:

Arm an Tönen früher und nicht willkommen,
lieben nun die Tische der Reichen und die
Tempel dich. Spiel Weisen, die Lydes taube
Ohren erhören.

Wie auf weiter Flur eine junge Stute
tollt sie ausgelassen und scheut Berührung,
Ledig ist sie, und sie verschließt sich noch dem
drängenden Gatten.

Du vermagst die Tiger, den Wald zu führen,
der dir folgt, und hemmen den Lauf der Bäche.
Deinem Schmeicheln musste des grimmen Reiches
Pförtner erliegen,

Cerberus, selbst wenn dessen wildes Haupt auch
hundert Schlangen schützend bedecken und aus
seinem Mund mit dreifacher Zung’ hervorströmt
grässlicher Geifer.

Selbst Ixion, Tityos mussten lächeln
unwillkürlich, und das Gefäß blieb trocken
kurz, als du mit holdem Gesang berührtest
Danaos’ Töchter.

Möge Lyde von dem Vergeh’n der Mädchen
hören und den Strafen, dem Fass , entleert von
Wasser, das am Boden verrinnt, von ihrem
späteren Schicksal,

das im Orcus ihrem Verschulden drohte.
Ruchlos ( konnten Schlimmeres sie begehen?)
ruchlos haben sie mit dem Schwert getötet
Ihre Verlobten.

Eine nur von vielen erwies der Ehe
würdig sich, sie täuschte den Vater herrlich,
der Versprechen brach, und für immer blieb sie
ruhmreiche Jungfrau.

« Auf ! », so sprach sie zu ihrem jungen Manne,
„Auf, dass nicht , von wo du es nimmer fürchtest.
langer Schlaf dir wird. Flieh' den Schwäher und die
frevelnden Schwestern,

welche ähnlich Löwinnen sind, die je ein
Kalb erjagten –ach! - und zerreißen. Ich bin
sanfter, will nicht töten dich ,will auch nicht dich
eingesperrt halten.

Mag mein Vater mich auch in Ketten legen,
weil ich mild verschonte den armen Gatten,
mag er mich ins ferne Numidien schicken
mit seinen Schiffen:

Geh, wohin dich Wind und die Füße tragen,
jetzt, solang dir Venus und Nacht gewogen,
geh mit Gott und schreib auf mein Grab an uns er-
innernde Klage.
ego sum medio quem flumine cernis,
stringentem ripas et pinguia culta secantem,
caeruleus Thybris, caelo gratissimus amnis
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Re: Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon ClaudiaK » Mi 2. Feb 2022, 16:01

Wow, das ist echt schön. Da bliebe jetzt nur noch die Grabinschrift für Hypermnestra. :wink:
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Re: Horaz Ode 3,11 resonare

Beitragvon medicus » Mi 2. Feb 2022, 16:21

ClaudiaK hat geschrieben:Da bliebe jetzt nur noch die Grabinschrift für Hypermnestra.

Die füge hinzu, du Gescheite,
die du begonnen diese Seite!
:pc:
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