Caligula im Schulbuch

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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon medicus » Sa 12. Jun 2021, 16:23

Ich freue mich, mit meiner Anfrage eine Diskussion angestoßen zu haben. Denke aber, dass Caligula auch andere Dummheiten gemacht hat, die weniger brutal waren, wie zum Beispiel : Magna pecunia usus domum praeclarum Incitato equo aedificavit. Diese Story ist doch weniger brutal als obige und geeigneter für ein Schulbuch, an erro?
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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon marcus03 » Sa 12. Jun 2021, 17:41

Et illum Incitatum reddidit consulem. Miror quidem, qua ex causa equo imperium non permiserit omne. ;-)
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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 12. Jun 2021, 18:01

marcus03 hat geschrieben:
Medicus domesticus hat geschrieben: Am Schwierigsten ist das in der Medizin, da sich da fast täglich etwas ändert

Du scheinst das dt. Steuer-und Rechtssystem nicht zu kennen. Dort ändert sich auch ständig etwas.
Und auch in anderen Wissenschaften muss man als Fachmann immer up-to-date sein.
(publish or perish).

Schöner Einwurf.. aber kennst du wirklich das System? Ich denke eher nur aus dem Internet. Ich kenne es aus der Realität bis heute. Das ist der Unterschied.
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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon ClaudiaK » Sa 12. Jun 2021, 18:17

Hallo medicus,

deine Frage ist wirklich gut und berechtigt. Ich beantworte sie auch zur eigenen Übung.

Welche Texte in ein Schulbuch kommen, entscheiden die Verlage u.a. auch danach, inwieweit sie dem Fachlehrplan (FLP) des Bundeslandes entsprechen und für den Lehrer, der mit dem Buch dann arbeitet, eine Unterstützung darstellen, denn der Lehrer muss die Wahl der Themen seines Unterrichtes mit dem FLP begründen. (Und die Verlage wollen ihre Bücher verkaufen.)

Es gilt für den Lehrer einerseits zu entscheiden, ob der Text die Sprachkompetenz (Gramm. + Wortschatz) der Schüler (entsprechend ihren bis dato erworbenen Fähigkeiten) fördert sowie ihre Fähigkeiten, einen Text in seinem Aufbau zu verstehen (Paraphrasieren, etwas begründend herausfinden, Zusammenstellung zu einem Thema). Das ist erstmal rein sprachlich und unabhängig vom Inhalt.

Inhaltlich würde der von dir vorgeschlagene Text vielleicht folgende Themen enthalten:
Umgang mit Geld
Verschwendungssucht ( oder eventuell Freigebigkeit, liberalitas als römischen Wert)
außergewöhnliche Architektur
römische Kunst
römische Technik

Blättere ich meinen FLP durch, so finde ich in den jeweiligen Klassenstufen (noch Lehrbuchphase) Themen und Wissensbestände, die ich mit dem Buchtext abdecken können sollte. Die domus aurea und die Sache mit dem Pferd sind aber so anekdotisch und wenig repräsentativ für das, was römisch ist, dass ich mir und dem Thema Gewalt antun müsste, um seine Behandlung in Anlehnung an den FLP zu rechtfertigen.
(Für Themen, die mir oder den Schülern besonders gefallen, leiste ich diese Mehrarbeit selbstverständlich gerne.)

Aus welchem Schulbuch stammt denn dein Text? Und aus welchem Jahr?
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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon medicus » Sa 12. Jun 2021, 19:00

ClaudiaK hat geschrieben:Aus welchem Schulbuch stammt denn dein Text? Und aus welchem Jahr?

Adeamus 3, Ausgabe C Oldenburg Verlag. Druck 2020
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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon ClaudiaK » Sa 12. Jun 2021, 19:06

Aha, ok. Zu Hause habe ich es nicht. Ich schaue es mir am Mo mal an, um zu sehen, wie sich der Verlag das gedacht haben könnte. Aber vielleicht sind andere Forumsmitglieder stolze Besitzer und äußern sich.
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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon medicus » Sa 12. Jun 2021, 19:08

https://www.jpc.de/jpcng/books/detail/- ... um/9876522
Ein sehr anspruchsvolles Buch, weil die Schüler/ Schülerinnen sich selbst viel erschließen müssen.
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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon ClaudiaK » Sa 12. Jun 2021, 20:40

Ohaaaaa, das ist ja backfrisch. Das hat die Bibliothek meines Vertrauens nicht.

Aber mit dem Markus Schauer als Latinistikprofessor in Bayern und zugleich Mitherausgeber des Lehrwerks hättest du jemanden, an den du direkt deine Anfrage richten kannst. Da liegt doch ein enge Verzahnung von Verlagsangebot, FLP-Kenner und Didaktikforschung vor.

Vielleicht postet er unter einem Pseudonym die Antwort. Da das hier ein berühmtes Forum ist, schaut der bestimmt auch gelegentlich rein. Um uptodate zu sein.
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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon medicus » Sa 12. Jun 2021, 21:03

Falls der Professor hier mitliest und unter Pseudonym einen Beitrag sendet, werde ich mich freuen. Wahrscheinlich sehe ich aber zu schwarz, bei den vielen Horrorgeschichten heutzutage im Fernsehen sind die jungen Leute ja einiges gewöhnt. Da kommt ihnen Caligula noch harmlos vor. :(
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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon Medicus domesticus » So 13. Jun 2021, 11:03

Der Text regt mich gar nicht auf. Wie ClaudiaK schrieb, liegt ja viel an der Begleitung durch den Lehrer, der die Zeit des Caligula und seine Art zu regieren erklären kann. Von einem nur psychopathischen Caligula hat man sich spätestens seit Prof. Winterling verabschiedet.
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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon mystica » So 13. Jun 2021, 13:13

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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon medicus » So 13. Jun 2021, 13:37

Salve Mystica, und wie beurteilst du diesen Satz in einem Schulbuch? Sollten solche Sätze in einem Latein-Lehrbuch stehen?
Neque vero statuis modo caput abstulit, sed etiam civibus, immo familiaribus suis. Cum uxoris vel amicae cervicem osculabatur, loqui solebat: "Tam pulchra cervix! Ut iussero, secabitur." :shock:
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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon Medicus domesticus » So 13. Jun 2021, 14:15

Salve Mystica,
Damit könnte man ein Faß aufmachen..
Dass die Darstellung der antiken Historiker nicht immer der Wahrheit entspricht, wissen wir schon lange. Winterling hat da den Finger in die Wunde gesetzt.
Hast du außer irgendeine Rezension das Buch gelesen, um dir ein Bild zu machen? Ich schon.
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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon marcus03 » So 13. Jun 2021, 15:32

Medicus domesticus hat geschrieben:Hast du außer irgendeine Rezension das Buch gelesen, um dir ein Bild zu machen? Ich schon.

Jeder Leser macht sich bei und nach der Lektüre sein eigenes Bild aufgrund seiner Vorkenntnisse; Vorbildung und Vor-urteile (vgl. Gadamer, Wahrheit und Methode) und kommt z.T. zu unterschiedlichen Ergebnissen.
An die objektive historische Wahrheiten in Bereich der Persönlichkeit historischer Personen kommt man ohnehin selten ran, weil man in die Psyche der Beteiligten ex post nicht hineinschauen kann.
Man bewegt sich immer im Bereich von Wahrscheinlichkeiten und Plausibilitäten.
Vieles kann man so oder so interpretieren. "sine ira et studio" ist ein nicht erreichbares Ideal.
Auch für Herrn Caligula gilt: Man müsste seine Genetik, Kindheit, Umwelt etc. genauesten kennen,
um ihn objektiv beurteilen zu können. Von nix kommt nix! :)
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Re: Caligula im Schulbuch

Beitragvon iurisconsultus » So 13. Jun 2021, 17:05

Bei der Überlieferung zu Caligula ist - wie gesagt - Kritik vonnöten.

Siehe statt aller Prof. Sommers Resümee:
Indem man nun den toten Caligula zum Sündenbock stempelte und ihn postum für verrückt erklärte, wusch man sich von den eigenen Sünden rein: Caligula als Prototyp des von Caesarenwahn besessenen Kaisers war das perfekte Feigenblatt für das würdelose Spektakel, das die von Feigheit und grenzenlosem Opportunismus angetriebenen Senatoren während seiner nicht ganz vierjährigen Herrschaft geboten hatten. Wann immer ein Kaiser die Senatoren in ein ähnliches Dilemma trieb, stand fortan die von Senatoren dominierte historiographische Zunft bei seinem Ableben bereit, die Keule des Vorwurfs mentaler Unzurechnungsfähigkeit zu schwingen. Auf diese Weise entstand rasch eine Tyrannentopik mit einem ganzen Arsenal an Schmähungen, die es nur noch individuell zu variieren galt: Von Caligula über Nero, Domitian, Commodus und Caracalla bis hin zu Elagabal waren die Abweichler vom schönen Schein augusteischer Prinzipats-Doppelbödigkeit allesamt debile Despoten, perverse Potentaten und irrsinnige Imperatoren. Kaum jemand fragte mehr danach, welche Rolle denn die Senatoren immer dann gespielt hatten, wenn Standesgenossen abgeurteilt, exiliert, in den Selbstmord getrieben oder Opfer von Gedächtnissanktionen geworden waren.

Sommer, Römische Geschichte II - Rom und sein Imperium in der Kaiserzeit, 2. Auflage (2014) S 128

Wir können nicht wissen, wie Potentaten a la Caligula wirklich waren. Immerhin wissen wir aber, dass wir nur tendenziöse Quellen haben. Wir müssen also kritisch sein.

Ich denke, dass in jedem guten Lateinwerk unter dem Titel „Quellenkritik“ Entsprechendes gesagt werden sollte, zumal in Zeiten von „Dr. Google“ und digitalen Medien.
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Qui statuit aliquid parte inaudita altera,
aequum licet statuerit, haud aequus fuit.
(Sen. Med. 199-200)
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