FRAGEN AN SINEMETULieber, sehr geehrter Herr Sinemetu!
An Sie und Ihre kompetenten Mitarbeiter ein paar Fragen, nun ja, ziemlich viele eigentlich.
a) Flamingo?Speaker John Bercow sagte am 9.9. 2019 im britischen Unterhaus in einer turbulenten Sitzung zum Brexitproblemkreis: "Ihre Meinung schert mich einen fliegenden Flamingo." ("I couldn't give a flying flamingo what your view is.")
Wie kommt es zu dieser Metapher?
Könnte sie in Zusammenhang stehen mit „Flamme“? DWDS gibt ja diese Etymologie mit "geflammtes Gefieder" durchaus plausibel an.
Welche Farbe siehst Du beim Hören dieses Wortes?
Welche beim Lesen?
Gibt es eine Beziehung zu Dominic Cummings, dem Mann mit der
Mission Brexit?
Der 47-jährige Cummings stammt aus dem nordenglischen Durham. Er hat in Oxford Alte und zeitgenössische Geschichte studiert, gilt als Bewunderer von Bismarck und des chinesischen Militärstrategen und Philosophen Sun Tzu, der vor zweieinhalbtausend Jahren lebte.
Cummings deriviert vom Wort "cam" *ernsthaft - was "gebogen, gekrümmt " bedeutet und an einen Flamingohals erinnert......
b) Panda Panda? Dem aufmerksamen Beobachter des Zeitgeschehens fällt die Verdoppelung (Reduplikation) im Namen chinesischer Pandabären auf. Sie scheint im chinesischen Raum beliebt zu sein. Allerdings: Die frühere Regierung von Taiwan blockte die Schenkung von
Tuan Tuan und
Yuan Yuan seitens China ab. Warum?
Die chinesische Regierung ist strikt dagegen, die zwei neuen Pandas im Berliner Zoo aus diesem Namenskatalog zu benennen:
Joshua Wong und Agnes Chow, Hong und Kong.Wie würdest Du sie nennen?
c) Triplex Kobald/Kobold/Kobalt? Wie wir wissen hat „Kobalt“ durchaus etwas mit „Kobold“ zu tun. Zunächst einmal Basisinformationen. Kobalt ist ein dem Nickel ähnliches Metall. Die im 16. Jh. aufkommende Bezeichnung Cobalt (Mathesius), auch Kobolt (Paracelsus) und Cobel, ist die obsächs. Form von Kobold.
Was hat das mit "Kobold" tun? Man beschimpfte das Metall, da man nach Silber suchte: Nach dem Glauben der Bergleute schob ein Berggeist (Kobold) ein solches Metall unter, nachdem er das Silber geraubt hatte. Seit dem 17. Jh., als man das Metall zur Blaufärbung zu nutzen begann (vgl. kobaltblau), gewinnt der Ausdruck an Verbreitung. Nickel ist ein Eigenname, gekürzt aus Nikolaus (15. Jh.), Nickel wird zum Scheltwort ‘Taugenichts, mutwilliger, eigensinniger Mensch’ (16. Jh., auch in der Gegenüberstellung die großen Hansen und kleinen Nickel), ‘eigenwilliges oder leichtfertiges Mädchen’ und ‘kleines, schlechtes Pferd’ (17. Jh.).
Auf die aus Nikolaus entstandene Verwendung des Namens für Geringgeschätztes und Minderwertiges geht auch
Nickel als Bezeichnung für ein silbrig glänzendes Metall zurück und bezeichnet so ein kleines, wertarmes Geldstück oder dessen Spender, man vergleiche dazu das Lexem "Geiznickel".
Könnte das „Bald“ in
Willibald (Thrasybulus) etwas mit
Kobald und
Kobold zu tun haben? Immerhin ist ja folgendes bekannt:
-bald, -bold Germ. *balþa- ‘hochfahrend, kühn’wird zu einer beliebten Komponente bei der Bildung von Eigennamen wie Dietbald, Hagbald, Heribald, Sigibald, abgewandelt Humbold, Seibold.Durch häufigen Gebrauch entwickelt
-bold in Personenbezeichnungen Suffixcharakter, verbunden mit einem Bestimmungswort auf substantivischer Basis (
Lügen-, Streit-, Tugend-, Witzbold) oder auf verbaler Basis (
Rauf-, Sauf-, Trunkenbold).
Daraus als Neubildung Bold m. ‘kleiner, lästiger Hausgeist, Wichtel,’ (15. Jh.). Das scheint nun in
Kobold semantikstiftend zu sein. Oder?
In deinem Klarnamen, sinemetu, steckt auch das „Bold“. Kann es sein, dass dieser Taufname auf spirituelle, also glaubenszentrierte Weise das Verhalten seines Trägers seit seiner Taufe prägt?
Wie ist zu erklären, dass
Unsere liebe Frau Maria kobalt/dblaue Kleider trägt? Vielleicht hast Du Gelegenheit, den Regensburger Professor zur genehmen Zeit auch dies zu fragen?
d) glauben/klauben? Ein häufig verwendetes mehrdeutiges Wort ist „glauben“. „Wir glauben doch alle an etwas“, wird in Diskussionen oft von Religionsvertretern geäußert (besser "geäußert von Vertretern diverser Sittenkomplexe"). „Ich glaube an Gott, Sie glauben an die Wissenschaft.“ Der religiöse Glaube ist für viele in Übereinstimmung mit dem Hebräerbrief 11,1 „die feste Zuversicht, auf das, was wir erhoffen, die Überzeugung von dem, was wir nicht sehen“.
Glaube kann aber auch die Bedeutung von Vertrauen, das auf Erfahrung beruht, haben: „Ich glaube an dich! Du wirst das schon schaffen!“
Außerdem kann Glaube auf Wissen basieren. Wenn wissenschaftlich orientierte Menschen sagen, sie glauben an die Evolutionstheorie, bedeutet dies in der Regel nicht, dass sie eine Zuversicht auf etwas Erhofftes haben, sondern dass sie die Evolutionstheorie aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse akzeptieren. Glaube kann also ganz unterschiedliche Bedeutungen haben, auch wenn es manchmal so hingestellt wird, als würden alle das gleiche Spiel spielen.
Menschen sind ja generell bereit, sich vor Bewundernswertem zu verbeugen. Sie bewundern, was sich ihrem Verständnis nicht ohne weiteres fügt. Vielleicht ist Religion eine Form der Unterwerfung, die sich am Nichtverstehen entzündet.
Ich verstehe nicht, also ist Höheres im Raum. Bewunderung, die kleine Schwester des Glaubens an das Göttliche, besitzt in der Regel die Form des Aufblicks zum Unbegreiflichen.
Genie kann schon in der Wiege zu beobachten sein und die Bewunderung ist die Halbschwester des Erstaunlichen, oder dessen Schleppenträgerin. Wer sich bisher darüber wunderte, dass Österreichs Kurz lange und wohlgeformte Sätze von sich geben kann, findet die Wurzel dieser Gabe nun in dessen frühester Kindheit:
"Die ersten kompletten Sätze sprach der kleine Sebastian Kurz bereits mit einem Jahr und stellte damit viele andere Kinder in den Schatten. Es waren keine Sprechversuche, die er machte, sondern er sprach bereits ganze Sätze."
Judith Grohmann hat das geschrieben in ihrer gerade erschienenen Kurz-Biografie, eher eine Hagiografie, eine legendennahe Beschreibung eines Erwählten. Aber wir schweifen ein wenig ab. Also fragen wir:
Ist es so, dass jeder (aus) sich das heraus-“klaubt“, was er für richtig und orientierend hält, also das, zu dem er aufblickt?
Steckt da in „orientierend“ das lateinische „oriri“ drin?
Warum spricht eigentlich Goethe, den Sinemetu als Leitdichter gewählt hast, von „West-Östlichen Divan“, also von einer Art „sopha“?
e) Metonymie und Synekdoche? Tatsache ist, dass Synekdoche und Metonymie enge Verwandte sind. Wenn man jemand
Eierkopf, Hausmann oder, was weiß ich,
Khaleesi, nennt, bezieht man sich dann auf einen Typus?
Dann wären da wohl Metonymien im Spiel.
Khaleesi ist in
Games of Thrones das Wort für
Drachenmutter. Das ist eine Metonymie, weil eine junge Mutter selbst in dieser Fantasy-Serie keine Echseneier legt, und es wäre umständlich, sie
Drachenpflegemutter zu nennen. Wenn ihre Gefolgschaft sie nun
Mutter des Drachen nennt, dann wäre das eine Synekdoche, weil sie mehr als einen Drachen pflegt. Und wenn Beyoncé von einem Ring singt werten das die meisten Rhetoriker als Synekdoche. Der Ring ist Teil des ganzen matrimonialen Bezirkes. Doch man könnte sagen, dass er eine Metonymie ist, weil er ein Unterpfand und somit ein Zeichen des ehelichen Bundes ist.
Was heißt eigentlich
Brakbekl und wofür steht dieses Wort extensional und intensional?
f) Bewerbung An
Dr. Dr. hum.caus. Thrasyboulos Sinemetu
IFKS: Institut für kreative Semiotik
Pangloss Universität, Brakbekistan
Lieber Kollege!
Dieser Brief soll die Bewerbung meines Studenten John Leskov, der vor drei Monaten den Junior/Senior Creative Writing Workshop absolviert hat, unterstützen. Er könnte sicher mit einigem Erfolg Literatur exzerpieren, in googles Viewer für Sie recherchieren. Und notieren, was Sie spontan und/oder wohlüberlegt als schreibwürdig und überprüfungswert charakterisieren. Er will Europa und seine spirituellen Dimensionen kennenlernen. Technische Kenntnisse in IT weist er hinreichende auf. Ihre Postings in verschiedenen Foren verfolgt er mit einigem Interesse. Er spricht gut Deutsch, da seine Großmutter eine Pennsylvania-Frau ist und ihn mit Weisheitsworten vertraut machte ("Mach die Türe zu, es ist warm.").
John erhielt in seinem universitären Kurs Kreatives Schreiben die Endnote B, hauptsächlich auf der Grundlage einer elfseitigen Kurzgeschichte über einen betrunkenen Mann, der in eine Höhle stürzt und aus seinem alkoholbedingten Stupor auftaucht, nur um herauszufinden, dass ein Tentakelmonster - eine Art gezahntes und reichlich speichelndes Krakentier - sich durch das Fleisch seiner Unterschenkel nagt, wobei die Spucke … (Außerdem hechelt in dieser Szene ganz nah an den Akteuren ein blauer Wolf. Er wird - Spoiler - nicht eingreifen.)
Ich darf aus dem Seminarabschlusszeugnis zitieren
„Obwohl chaotisch und unwahrscheinlich, auch innerhalb des Fantasy/Horror-Genres, ist die Geschichte solide konstruiert: Der Dialog besteht hauptsächlich aus qualvollem Stöhnen und Schreien; die Chronologie ist unerbittlich klar.
Der Student besuchte den Unterricht regelmäßig, er kam pünktlich an und erlag selten dem üblichen Impuls der Studenten, das Handy auf Nachrichten zu überprüfen oder unerbittlich den Reißverschluss am Rucksack in den letzten Minuten des Unterrichts zu öffnen.“Es wäre schön, von Ihnen einen positiven Bescheid bezüglich eines ersten Kontaktgespräches zu bekommen.
Mit Whatsapp oder Timeface über den großen Teich ist das ja, wie man weiß, kein Problem?
Whimsically,
Jason T. Pandur,
Professor of Creative Writing/English
Torment University
ff./p.s.
Sodalen, die gewillt sind, weitere Sinemetu-Fragen * zu stellen, sind herzlich eingeladen, diesen Thread entsprechend zu nutzen. Dieser lebendigste Teil des Forums wird Seiner Ausstrahlung gewiss so noch gerechter.
* Fragen an Sinemetu,
Fragen im Stil von Sinemetu,
Fragen ohne Furcht und kühn