Apuleius

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Re: Apuleius

Beitragvon Willimox » Di 9. Aug 2022, 11:30

Hm, um dann noch was zu bringen: Nicola Gardini (Latein lebt) sieht hier das intransitive lascivire transitiv umgepolt. Mein zweites und drittes Verstehen hat mir das auch irgendwie nahegelegt: die beweglichen Winzfedern machen die sonst ruhigen Flügel und Federn beweglich .... und führen so als Ergenis das lascivire herbei.

"Erzwungene Syntax (inquieta lasciviunt, wo dem intransitiven Verb lascivio, «ich bin übermütig, ausgelassen», ein Objekt, nämlich das Plural-Neutrum inquieta, in einem Zusammenhang, der sich nur sinngemäß übersetzen lässt, zugeteilt wird)"
"alis nil gravius" (Nycticorax)
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Re: Apuleius

Beitragvon Sapientius » Di 9. Aug 2022, 15:09

Dido im Hades betrachtet Aeneas ungnädig, "torva tuentem", finsteren Blicks. Nach dem Kommentar von Eduard Norden ist die Konstruktion ein Gräzismus, zuerst Lucrez, acerba tuens, bei Vergil auch sonst noch einige Male.
Es ist wohl ein "inneres Objekt".
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Re: Apuleius

Beitragvon iurisconsultus » Mi 10. Aug 2022, 09:57

Gefühlsmäßig hätte ich inquieta - freilich entgegen der Wortstellung - auf (tremule) resultantes bezogen: Die zart-feinen Außenfederchen hüpfen unruhig zitternd auf und nieder; ausgelassen sind sie! Oder so ähnlich! :D Denn inquieta lasciviunt geht für mich nicht zusammen (anders als dulce ridentem, acerba tuens usw.), auch wenn, worauf Willibald hingewiesen hat, nur eine sinngemäße Übersetzung möglich ist.
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Re: Apuleius

Beitragvon Sapientius » Mi 10. Aug 2022, 19:25

inquieta lasciviunt geht für mich nicht zusammen


Ich glaub, das geht nur im D. nicht zusammen, denn wir geben das lascivire mit Adj. wieder, "ausgelassen sein", und dann häufen sich die Adjektive; im L. ist es aber ein Verbum; und "inquiete" etwas flexibel fassen: quirlig oder so.

Nach deinem Vorschlag türmen sich die Ergänzungen zu tremule, und dann auch noch der schwierige adverbiale Akkusativ! Überleg es noch mal!
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Re: Apuleius

Beitragvon iurisconsultus » Mi 10. Aug 2022, 21:47

Danke Sapientius, das ist durchaus sinnig. :) Die Loeb’sche Übersetzung sieht es aber wie ich, löst das „Problem“ aber elegant, indem sie für tremule resultantes schlicht „quivered“ (zitterten) schreibt und zudem lasciviunt eng durch ein Präpositionalobjekt anschließt:
… soft and delicate little plumes along their edges quivered restlessly in wanton play.

LG, Markus
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Re: Apuleius

Beitragvon Sapientius » Do 11. Aug 2022, 09:44

Dass wir uns hier herumplagen müssen, liegt daran, dass die grammatischen Relationen nicht vollständig markiert sind; bei der Objektsrelation (discipulos laudat) erkennt man zwar eindeutig an der Kasusendung, dass hier der Objektspfeil ankommt, aber an "laudat" erkennt man nicht, dass ein Pfeil von hier losgeht. Bei der Kongruenzrelation (montes altos) erkennt man zwar, dass bei altos ein Kongruenzpfeil ankommt, aber an montes erkennt man nicht, dass hier einer losgeht.

Was mit einer vollständig markierten Relation gemeint ist, sieht man an: "y = f(x)", da geht eine Funktion, eine Zuordnung, von x nach y, und f() ist eine Vorschrift. (Jetzt machen die Philologen gleich so ein Gesicht :( , :-D ).
Das soll nur einmal eine allgemeinere Betrachtung zu unserer konkreten Situation sein.

Ich hätte noch eine Frage zu Apuleius, ist das ein Prosa- oder ein Verstext, habe keine Ahnung.
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Re: Apuleius

Beitragvon iurisconsultus » Do 11. Aug 2022, 10:04

Sapientius hat geschrieben:Ich hätte noch eine Frage zu Apuleius, ist das ein Prosa- oder ein Verstext, habe keine Ahnung.

A.' Metamorphosen und die epochemachende Binnenerzählung über Amor und Psyche darin sind in barocker Prosa geschrieben und A. liebt offensichtlich ambige Bezüge und adverbiale Akkusative. Gestern begegnete mir:
At Venus irata solidum exclamat repente

solidum bezogen auf irata oder exclamat oder beides?

Ich habe mich für Ersteres entschieden.

:stretch:
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Re: Apuleius

Beitragvon marcus03 » Do 11. Aug 2022, 11:01

iurisconsultus hat geschrieben:At Venus irata solidum exclamat repente

Da hast du die richtige Wahl getroffen:

4) Akk. solidum adv., fest = ordentlich, tüchtig, heftig, Venus irata solidum, Apul. met. 5, 28 (aber Pers. 5, 25 ist quid solidum crepet = was nach Gediegenem klingt).
(im Georges)

In Bayern sagt man: stocknarrisch ;-)
https://www.bayrisches-woerterbuch.de/s ... risch-adj/
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Re: Apuleius

Beitragvon iurisconsultus » Do 11. Aug 2022, 11:37

Marcus Marco gratias agit! :-D
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Re: Apuleius

Beitragvon medicus » Do 11. Aug 2022, 11:56

"Mir dünkt, zwischen solidum und stock eine Beziehung", würde Odinus Thorus sagen.
https://www.stern.de/noch-fragen/welche ... 09362.html
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Re: Apuleius

Beitragvon ille ego qui » Fr 12. Aug 2022, 06:22

Sapientius hat geschrieben:Könnte es sein, dass Apuleius Satzklauseln verwendet hat, metrische Satzschlüsse, hier: —◡— —◡—, "Doppelkretikus": "-eta lasciviunt", dann hätte er bei inquieta eine kurze Silbe gebraucht, -ta; und deshalb vermied er "inquite"?


Wenn das allerdings die einzige Rechtfertigung wäre dafür, dass er eine ansonsten falsche / nicht sinnvolle Konstruktion oder Form benutzt, wäre er ein Stümper.
:-)
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Re: Apuleius

Beitragvon marcus03 » Fr 12. Aug 2022, 06:48

ille ego qui hat geschrieben:wäre er ein Stümper.

Und du summo iure ein Nasenrümpfer!
Drum lass andere nur tüchtig stümpern,
und zuck du mit deinen Rümpfer-Wimpern!
Gut gerümpft ist halb schon korrigiert,
solange man beim Rümpfen die Geduld nicht verliert!
;-) :lol:
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Re: Apuleius

Beitragvon ille ego qui » Fr 12. Aug 2022, 07:45

Aber ein Stümper ist er natürlich gerade nicht!
(Hoffe, man hat meinen Punkt trotzdem verstanden. :D)
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Re: Apuleius

Beitragvon ille ego qui » Fr 12. Aug 2022, 07:47

Jetzt muss zur Reimkunst noch der Rhythmus kommen :P :D
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Re: Apuleius

Beitragvon Zythophilus » Fr 12. Aug 2022, 08:16

Vorläufig sind wir an dem Punkt, dass wir inquieta als adverbiellen Akk. sehen. Vermutlich handelt es sich hier um einen Gräzismus, der möglicherweise dadurch begünstigt wird, dass kurz davor schon ein normales Adverb steht. Speziell in dichterischer Sprache ist diese Art des Adjektivs nicht so selten, und Apuleius scheint mir, wiewohl natürlich kein Dichter, doch Anleihen aus der Dichtersprache zu nehmen.
Wörtlich kann man das natürlich nicht übersetzen, aber wie soll man das auch, wenn es sich um einen Spezialfall eines Adverbs handelt und die Zielsprache gar keine eigene Form für von Adjektiven abgeleitete Adverbien besitzt.
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