von Prudentius » Di 8. Jan 2019, 17:47
Beachtenswert ist der Bedeutungswandel von "Katastrophe" von der Antike zur Moderne. Für uns ist die Katastrophe ein isoliertes Ereignis, d.h. es ist dem Menschen äußerlich, trifft ihn "blind", wie ein Tsunami, ohne Beziehung auf das frühere Leben der Betroffenen.
In der Antike ist die Katastrophe ein Terminus aus der gr. Tragödie, kata - strophe, die Schicksalswende "nach unten", kata-. Der Sinn erklärt sich aus dem Zusammenhang mit den anderen Begriffen der Tragödie, hybris, die Verfehlung, das Überschreiten der von den Göttern den Menschen gesetzten Grenzen; ate, Verblendung oder Blindheit, katharsis, Läuterung oder Reinigung; "pathei mathos" heißt es, "durch Leiden Lernen".
Für Ödipus ist die Katastrophe, die über ihn kommt, zuinnerst mit seinem Leben verknüpft, sie ist das folgerichtige Ergebnis seiner Fehlhaltung. Für ihn, und den antiken Besucher der Aufführung, ist sie ein Zeugnis für das göttliche, dem Menschen nicht durchschaubare Walten der Götter in der Welt.