Lat. Alphabeth, ausgesprochen nach gr. Papyrus.

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Lat. Alphabeth, ausgesprochen nach gr. Papyrus.

Beitragvon Laptop » So 11. Okt 2020, 01:59

Ich hatte mich interessiert wie die lateinischen Buchstaben nomine per se gesprochen wurden, und ich habe auch verschiedene Annahmen gefunden. Nun aber habe ich von diesem Beleg aus dem 1./2. Jhd n. Chr. gehört ( http://papyri.info/dclp/100143 ), und ein Beleg ist aussagekräftiger als irgendein Autor, der sich was aus dem Hut zieht:

Bild

Folgendes ist auffällig:
῾ für H. Fraglich was die Transkription mit Spiritus Asper soll, wo H von den meisten Griechen eh nicht oder kaum hörbar gesprochen wurde? Ohne Vokal ist das sowieso kaum sprechbar. Die Römer sprachen anscheinend "ha", nicht "he", vermutlich weil "ha" den schwachen Hauch-Laut besser hörbar macht als "he".
κα für K. Die aschematische Transkription κα (statt schematisch κη) ergibt Sinn, denn κη ist schon C zugeordnet.
ιλ für L. Warum nicht schematisch ελ? Anscheinend ist das ein Quirk der gr. Transkription und die Römer sprachen tatsächlich "el" und nicht "il".
μ für M. μ kann man wohl kaum sprechen. Warum nicht schematisch εμ analog zu dem εν auf dem Papyrus?
κου für Q. Seltsam. Ich hätte etwas wie "Kwe" erwartet, mit halbvokalischem "w", denn das war ja der eigentliche Laut. Vielleicht beruht die Transkription auf dem Unvermögen der Griechen diesen Laut exakt nachzubilden? Wie sprachen es die Römer wirklich aus? Doch nicht "Kuh"?!
ρ für R. Auch das kann man kaum sprechen. Warum nicht schematisches ρε oder ερ?
ξε für X. Interessant. Manche Autoren spekulieren auf "ex" oder "ix", aber hier steht nun einmal "xe".
Y. Ist hier nicht erwähnt und wurde wohl von Römern "i graeca" gesprochen.
Z. Ist hier nicht erwähnt und wurde wohl von Römern "zeta" mit weichem "ds" (erravi) gesprochen, etwa wie die Italiener heute.
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Re: Lat. Alphabeth, ausgesprochen nach gr. Papyrus.

Beitragvon ille ego qui » So 11. Okt 2020, 08:11

Danke diesen Fund. Für den Moment nur zwei Fragen/Anmerkungen (ich habe nach der Lektüre noch ein paar mehr Fragezeichen im Kopf):

Die Römer sprachen anscheinend "ha", nicht "he", vermutlich weil "ha" den schwachen Hauch-Laut besser hörbar macht als "he".


Wie kommst du darauf, dass man hier unbedingt einen a-Laut gesprochen hat?

Ist hier nicht erwähnt und wurde wohl von Römern "zeta" mit weichem "ds" gesprochen, etwa wie die Italiener heute.


Ich kenne die wissenschaftliche Diskussion dazu kaum, habe aber gehört, dass man heute offenbar davon ausgeht, dass in den antiken Sprachen "z" überhaupt nichts Ähnliches wie unser /ts/ (weder stimmlos noch stimmhaft) gemeint gewesen sei! Vielmehr umgekehrt: zuerst ein stimmhafter Sibilant, dann ein d-Laut (vgl. Athenaze "nach Athen" < Athenas de). In der späteren Entwicklung dann nur noch ein Sibilant. Erst neuere Sprachen hätten das <z>-Zeichen dann für ihre Affrikate (/ts/ o.Ä.) genutzt und uminterpretiert. Keinen Zweifel daran hat beispielsweise ScorpioMartianus (Luke Ranieri), der sich sehr intensiv mit Aussprache beschafft (aber der gewiss auch an einigen Stellen angezweifelt werden sollte!).
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Re: Lat. Alphabeth, ausgesprochen nach gr. Papyrus.

Beitragvon Laptop » Mo 12. Okt 2020, 02:25

Wie kommst du darauf, dass man hier unbedingt einen a-Laut gesprochen hat?

Gesichert ist das wohl nicht. Aber Allen gibt es in Vox latina so an, und ich kann mich auch an keine Quelle erinnern die dem widerspricht (mit etwas wie "he"), von daher ist das nicht völliger Spekulatius.

Zu Z (zeta) habe ich nicht gründlich genug recherchiert, und da hast Du Recht. Demnach entsprach der Laut des zeta in der Antike (genaueres Eingrenzen sicher sinnvoll) sinnigerweise exakt dem IPA-Zeichen [z], was dann wohl kein Zufall ist. Das IPA-Zeichen wurde dann gezielt so gewählt.

Zu Q schreibt Allen, daß "Kuh" bestätigt ist durch Probus, Pompeius und Priscian, auch wenn es wundern mag. Cf. "In the Antinoe papyrus (4th-5th cent. A.D.) their names (sc. K und Q, Anm.d.Verf.) are given as κα, κου, and these are confirmed by Probus, Pompeius, and Priscian."

Zu X ist die Lautbeschreibung ξε wohl den gr. Wurzeln des Autors geschuldet und es ist eine Vermengung mit der gr. Bezeichnung ξι für ξ.

Ich schätze die Arbeit des Skorpions, auch wenn ich seine persönliche Aussprache als etwas histrionisch-gezwungen empfinde.
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Re: Lat. Alphabeth, ausgesprochen nach gr. Papyrus.

Beitragvon ille ego qui » Fr 16. Okt 2020, 18:34

Danke für die Hinweise, Longipes!

Offenbar muss ich die Allen-Bücher doch mal lesen ;-)
Das Q überrascht mich weniger, man unterscheidet ja im Alphabet auch nicht zwischen u und v. Und mit "ku..." ist man schon nahe beispielsweise am "qu" in engl. "quiet". (Das lateinische v wird ja oft als dem englischen w ("double u"!) beschrieben.)
Verwirrenderweise scheint man allerdings im Lateinischen für "qu" gar nicht wirklich von einem Doppellaut (Doppelkonsonanten) auszugehen, eher von einem bloß leicht unterschiedlichem k laut ...

Bene valete!
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