Plautinische metrik

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Plautinische metrik

Beitragvon ille ego qui » Do 31. Jan 2013, 13:50

salvete!

im metrikkurs hat unser dozent für "ais" ein langes "a" angesetzt.
gibt es stellen, aus denen evident hervorgeht, dass es lang sein kann? (denn dass kurz sein k a n n , steht fest ;) )

de hoc potissimum trochaeo rixati sumus ;):

ain vero verbero deos esse tui similis putas

dozent: - - / - - / - v / - - / - v v / - vv / - v / -

ich: vv - / - - / v v - / - v v / - v v / - v / -

beide brauchen wir eine synizese von "deos", ich muss eine jambenkürzung von ain (vero) und eine weitere von (verb-)ero annehmen.
welche lösung ist zu bevorzugen? ich würde sagen: meine, sofern sich nicht eindeutige stellen finden lassen, wo ain / ais ein langes a hätte.

valete :)
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Re: Plautinische metrik

Beitragvon consus » Do 31. Jan 2013, 14:37

Salve, Ille.
Mit wenigen Worten promo aspectu meine spontane Sicht der Dinge:
M. Niedermann (Hist. Lautl. d. Lat., 3. Aufl. Heidelbg 1953, S. 115) schreibt bzgl. des zwischenvokalischen i bzw. j bei ajo:
In der Dichtung wird die erste Silbe von ajō, major … stets als Länge gemessen; vgl. z. B.
Plautus, Cas. 71 (iambischer Senar):
at eg(o) aj(o) id fier(i) in Graeci(a) et Carthagini
u u - / - ú u / - - / u - / - - / u -
… Da der Wurzelvokal aller dieser Wörter von Natur kurz war, so kann die Langmessung nur auf Positionslänge …, d. h. auf der Aussprache ajjo*, majjor* … beruhen.
Weiteres im Kühner-Holzweissig (S. 822). Bei nicht zwischenvokalischem i, also ais, ait usw. erscheint ein kurzes a (z. B. Verg. Aen. 1, 142: sic ait et dicto citius...). Einsilbige Messung von ain ( < aisne) in Ter. Eun. 803 usw. So kann man es wohl in besagter Plautusstelle lesen. Vielleicht sollte man dabei überlegen, ob nicht beim Übergang von aisne zu ain auch das mitwirkt, was wir nach Gellius (2, 17, 8: nam detrimentum litterae productione syllabae compensatur) Ersatzdehnung nennen.
_____________________________
* ajjo < *ag-i-o; majjor < mag-ior.
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Re: Plautinische metrik

Beitragvon ille ego qui » Do 31. Jan 2013, 15:23

gratias tibi ago.

dann stimmst du also mit meiner metrenaufteilung überein (mit jambenkürzung von verBERO)
ob nun jambenkürzung oder synizese, wird sich nicht entscheiden lassen - jambenkürzungen jambischer silbenfolgen, wo der jambus erst durch einen zusätzlichen konsonanten am anfang des folgeworts entsteht (und dann eben "jambengekürzt" wird), begegnen ja bei plautus auf schritt und tritt.

unverständlich ist mir das Trema, welches die OCT-Ausgabe extra auf das i setzt ...
(denn, wie gesagt, Synizese und Jambenkürzung ginge beides - und der Vers ginge danach in beiden Fällen identisch weiter)

vale.
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Re: Plautinische metrik

Beitragvon Oedipus » Do 31. Jan 2013, 15:56

Oh trochäische Septenare, ganz was feines :)

Kann mir jemand sagen, was mit "OCT-Ausgabe" gemeint ist? Mir steht jemand auf der Leitung...
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Re: Plautinische metrik

Beitragvon consus » Do 31. Jan 2013, 18:30

Salve, Ille.
Ich bin's noch einmal. Habe zwischendurch mal weiter überlegt... In der Oxoniensis (OCT Oxf. Class. Texts) steht „aïn“, in einer alten Teubneriana (Goetz-Schoell) „Áin“. Einsilbige Lesung wie bei Terenz kommt nicht in Frage. Im OLD (Oxford 2000) steht s. v. āiō: einsibiges ain oder āin mit Verweis auf Plaut. Most. 383; ebendort dort aber auch die Form āis (Plaut. Poen. 985).
Also ergibt sich m. E.
áin - -/ véro - - / vérbe - u/ ró deos - u u (oder - - )/ ésse tu - u u / í simi - u u / lís pu - u / tás -
- - / - - / - u / - u u (- -) / - u u / - u u / - u / -
O di immortales! Der Plautus hat’s in sich…
:-D
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Re: Plautinische metrik

Beitragvon Zythophilus » Do 31. Jan 2013, 19:07

Zwei eindeutige Belege für ein einsilbiges langes ai bei Properz (El. II 22, 35 u. 57): aiunt jeweils am Schluss eines Hexameters.
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Re: Plautinische metrik

Beitragvon consus » Do 31. Jan 2013, 19:51

Zythophilus hat geschrieben:Zwei eindeutige Belege für ein einsilbiges langes ai bei Properz (El. II 22, 35 u. 57*): aiunt jeweils am Schluss eines Hexameters.
Ja, so ist es die Regel bei zwischenvokalischem i (j) (s.o. das Zitat aus Niedermann). Das OLD nennt nun, wie ich schrieb, Plautus-Stellen mit langem a in āis und āin. Daran war wohl, wenn ich mich nicht irre, Ille in erster Linie interessiert.

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* Nonne 2, 16, 35 et 2, 32, 57?
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Re: Plautinische metrik

Beitragvon Tiberis » Do 31. Jan 2013, 20:01

ille ego qui hat geschrieben:beide brauchen wir eine synizese von "deos", ich muss eine jambenkürzung von ain (vero) und eine weitere von (verb-)ero annehmen.

ich verstehe nicht, warum eine synizese notwendig sein soll. einmal davon ausgehend dass ain aus zwei langen silben besteht , stellt sich mir der vers in seinen quantitäten so dar:


áin /véro /vérber/ó deos/ ésse tu/í simi/lís pu/tás
- -/ - - / - u / u u - / - u u / - u u / - u / -

oder sollte ich mich irren ? :-D
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Re: Plautinische metrik

Beitragvon consus » Do 31. Jan 2013, 20:34

Salve, doctissime Tiberis!
vÄ“r-bÄ•-rō] bÄ•-rō ist zwar eine jambische Silbenfolge, doch fragt es sich, ob hier eine regelkonforme Jambenkürzung in Frage kommt, so dass -rŏ dĕōs mit ú u - entsteht. „Meine“ Lösung geht aus von einer Jambenkürzung (deos steht ganz in der Senkung: Jambus u - kann dann zu einem Pyrrhichius u u werden) bzw. Synizese (einsilbiges deos, also -).
So, allmählich geht mir vor lauter Trochäen ein Mühlrad im Kopf herum, sodass ich einen Irrtum meinerseits nicht ausschließen will.
:lol:
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Re: Plautinische metrik

Beitragvon Zythophilus » Do 31. Jan 2013, 21:12

Noch einmal aio:
Wenn das Wort von einem erschlossenen *agio über aiio kommt - so behauptet es zumindest der Stowasser, der als Normalform āiō angibt, ohne freilich zu erklären ob das i als Konsonant oder Vokal artikuliert wird -, so scheinen mir bei der 2. und 3.P.Sg. einfach Formen der i-Konj. vorzuliegen. Wenn etwas kontrahiert wurde, waren es jeweils die beiden i in aiio und aiis, die aufgrund der i-Konj. ohnedies lang waren. In der 3.P.Sg, erfolgte die Kürzung dann später analog zu den anderen Konjugationen.
aiio und aiiunt bzw. aio und aiunt wirken als dreisilbige Formen schwerfällig: ai wird bei diesen zwei Formen zu einer langen Silbe, das konsonantische i wird zwar nicht mehr geschrieben, wirkt aber nach.
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Re: Plautinische metrik

Beitragvon Tiberis » Do 31. Jan 2013, 23:59

consus hat geschrieben:bÄ•-rō ist zwar eine jambische Silbenfolge, doch fragt es sich, ob hier eine regelkonforme Jambenkürzung in Frage kommt, so dass -rŏ dĕōs mit ú u - entsteht.

salve Conse!
ich meinte etwas anderes. das -o in verbero kann m.e. nicht automatisch als lang angesehen werden, selbst wenn es in der überwiegenden zahl der fälle lang ist. aber allein die tatsache, dass das nominativ - o der 3. deklination in lexika wie Klotz oder Georges nicht als naturlang gekennzeichnet ist, spricht wohl dafür, dass es eben auch kurz sein kann, speziell wohl bei nichtklassischen autoren. vielleicht verhält es sich damit so ähnlich wie beim -o in der 1.pers. der konjugationen?
aber ich gebe zu, dass ich mich bisher nicht mit dieser "materie" befasst habe. irrtum meinerseits ist also durchaus möglich. :roll:
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