Unter diesem Titel hat Consus unser Interesse auf Goethes lateinische Äußerungen gelenkt. So ist mir bei dem Motto, das G. dem Gedicht "das Tagebuch" vorangestellt hat
" - aliam tenui, sed iam quum gaudia adirem,
admonuit dominae deseruique Venus."
zuerst aufgefallen, dass dem Hexameter der 1. Versfuß fehlt. Das Zitat stammt aus Tibull I,V, 39-40, wo man sieht, dass Goethe das Wort SAEPE wegzensiert hat. Dort bei Tibull wird nämlich geschildert, wie der Dichter den Ärger über die Geliebte, die ihn verlassen hat, im Wein ertränken wollte, jedoch ohne Erfolg:
"saepe ego temptavi curas depellere Vino:
at dolor in lacrimas verterat omne merum".
Der andere Versuch, die Demütigung bei anderen Frauen zu vergessen,
"saepe aliam tenui: sed iam cum gaudia adirem,
admonuit dominae deseruitque Venus"
misslingt, da seine Gedanken bei der eigentlich Geliebten bleiben (admonuit dominae) und daher seine körperlichen Funktionen versagen
(deseruitque Venus).
Goethe ist anscheinend Ähnliches passiert, als er 1810 auf einer Rückreise nach Weimar (in Gedanken schon bei seiner Christiane) nach einem Wagenbruch unterwegs übernachten musste und sich von der Wirtstochter verführen ließ. Das danach entstandene Gedicht "Das Tagebuch" wurde nach G.s Tod jahrzehntelang als "Pornographie" unveröffentlicht versteckt gehalten. Liest man es heute unbefangen, zeigt die Tendenz eher das Gegenteil: In Gedanken an Ehefrau Christiane (bei Catull: domina) heißt es im Gedicht:
Da hab ich nun am sonderbarsten Orte,
Mein treues Herz aufs neue dir verbunden.