Eindeutigkeit und Reflexivität

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Eindeutigkeit und Reflexivität

Beitragvon Penthesilea » Sa 23. Mär 2013, 10:05

Gleich noch eine Frage, cari sodales:

Folgender Satz ist ins Lateinische zu übertragen:

"Der Beamte dankte dem Volk dafür, dass es ihn gewählt hatte."

Mein Vorschlag:
"Magistratus populo gratias egit, quod eum creaverat."

Was mich stutzig in meiner Übersetzung macht, ist, zum einen, dass rein theoretisch nicht klar ist, wer wen wählt, weil populus und magistratus beide maskulin sind, eum sich auf beide beziehen könnte.
- Reicht es, wenn man aus dem Kontext schliesst, wer Akkusativobjekt und wer Subjekt des Gliedsatzes ist? Oder muss ich mit einer anderen Version arbeiten, um Eindeutigkeit herzustellen (vielleicht sogar: "Magistratus populo gratis egit, quod a populo creatus erat" ?).
Zum anderen noch dies:
- eum/se: Ich habe mich für eum entschieden, weil der Gliedsatz eine Tatsache darstellt, die aus Sicht des Erzählers und nicht des Magistratus festgehalten wird. Andernfalls hiesse es wohl "gewählt habe", dann hätte man se und creavisset (Konj.), wegen der innerlichen Abhängigkeit des Nebensatzes. Sehe ich das richtig?

Herzlichen Dank im voraus für Eure Hilfe!
Zuletzt geändert von Penthesilea am Sa 23. Mär 2013, 10:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Eindeutigkeit und Reflexivität

Beitragvon marcus03 » Sa 23. Mär 2013, 10:48

Ich denke, det Kontext ist eindeutig. Nur das Volk kommt als Wähler infrage.
Es muss wegen der Faktizität EUM lauten. Mit ILLUM könnte man vllt. jede theoretische Verwechslung ausschließen.
Im Falle der wohl eindeutigeren Passivvariante würde ich sagen: ...quod ab eo creatus erat.


Vgl auch:
Pater dolebat, quod eum fefelleram: Den Vater schmerzte, dass ich ihn getäuscht hatte (Tatsache: ich habe den Vater getäuscht)
Pater dolebat, quod se fefellissem: Den Vater schmerzte, dass ich ihn getäuscht hätte (Annahme: der Vater glaubt, ich hätte ihn getäuscht)

b) nach Verben des Lobens, Tadelns, Dankens und Verzeihens: dass oder weil (laudare, vituperare, reprehendere, gratias habere, agere, referre, gratulari, ignoscere)
Ignosco te, quod me decepisti: Ich verzeihe dir, dass du mich getäuscht hast

Decima legio Caesari gratias egit, quod de se optimum iudicium fecisset: Die 10. Legion dankte Caesar, weil er über sie das beste Urteil gefällt hätte (Annahme: Konjunktiv)

http://members.aon.at/latein/Quod.htm#quod+Konjunktiv


("In dubio/in examine" könnte man auch einen kausalen Relativsatz nehmen: ..., qui eum creavisset.)

Bin nun selbst auf die Meinung/Argumentation der anderen gespannt. .
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Re: Eindeutigkeit und Reflexivität

Beitragvon Penthesilea » Sa 23. Mär 2013, 11:04

Vielen Dank, marce, vor allem auch für die einleuchtenden Beispiele und den Link. Ich glaube, wir sind uns einig; Kontext reicht schon aus. Und es muss eum in diesem Fall heissen.
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Re: Eindeutigkeit und Reflexivität

Beitragvon Prudentius » Sa 23. Mär 2013, 17:43

Decima legio Caesari gratias egit, quod de se optimum iudicium fecisset: Die 10. Legion dankte Caesar, weil er über sie das beste Urteil gefällt hätte (Annahme: Konjunktiv)


Ich würde lieber sagen: "...gefällt habe".

"Annahme" würde ich nicht sagen: Mit dem Konjunktiv wird der quod-Satz der 10. Legion in den Mund gelegt, also obliquer Konjunktiv, mit dem Indikativ aber dem erzählenden Historiker.

Ich würde auch keinen Kausalsatz sehen, sondern eine inhaltliche Ergänzung: "...dankte Cäsar dafür, dass er ein sehr gutes Urteil...abgegeben habe".

P. :)
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Re: Eindeutigkeit und Reflexivität

Beitragvon ille ego qui » Mi 3. Apr 2013, 14:48

möglich - und eindeutig - auch:

quod se creavisset = dass es ihn gewählt HABE ;-)
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis
arma virumque cano ...
ille ego qui
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