Frage zur Göttergeburt ad Marcum03

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Frage zur Göttergeburt ad Marcum03

Beitragvon Odinus Thorus » Fr 8. Dez 2023, 20:13

Hallo marcus03,

im Zusammenhang mit der "jungfräulichen Geburt" Jesu wird behauptet, dass all diejenigen Passagen in den Evangelienberichten, welche auf die "Unberührtheit" der Mutter Jesu abzielen, alle ex eventu, also nach Abschluss des Lebens Jesu und der gewachsenen Überzeugung, dieser sei (ein) Gott gewesen, eingebracht worden seien. Man wollte das Ausserordentliche an diesem Leben und seiner Nachwirkung sich selber erklären. Das wäre ein heute verständliches, psychologisches Motiv. (Ein heute vermutetes betrügerisches Motiv lassen wir mal beiseite, weil die Tiefe einer schmutzigen Phantasie sowieso niemand ausloten kann.)

Wenn dem aber nun so gewesen sein sollte, dann müsste es vorher und zu der Zeit irgendwo den Glaubenssatz gegeben haben: Ein Gott kann nur von einer Jungfrau geboren werden. Denn überzeugen kann man nur, wenn man auf Bekanntes zurückführt. Auch sich selbst kann man nur überzeugen, indem man sich etwas beweist.

Ich muss gestehen, dass mir weder aus der griechischen Religion, noch dem Hellenismus, noch aus der Ägyptischen so ein Satz bekannt ist. Ich kenne ihn nur aus dem modernen Hinduismus. Ist die irgendwoher sowas bekannt? Ich halte auch den Satz: "Ein Gott kann nur von einer Jungfrau geboren werden." nicht für alt. Weil es nicht religionstypisch ist, mathematische Sätze und Regeln oder gar Bedingungen über die Existenz der zu Verehrenden aufzustellen. Ich halte das für modernen pseudoreligiöses religionsbetrachtendes Denken a la Eliade und so. Aber ich lass mich verbessern von Euch.
Wer weiss was dazu?
Zuletzt geändert von Odinus Thorus am So 10. Dez 2023, 16:54, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Frage zur Göttergeburt ad Marcem03

Beitragvon marcus03 » Fr 8. Dez 2023, 21:36

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Re: Frage zur Göttergeburt ad Marcem03

Beitragvon Odinus Thorus » Fr 8. Dez 2023, 22:41

Christen hätten es aus griechisch-römischen Vorstellungen übernommen, um Gottes in der Bibel geschildertes Eingreifen bei der Geburt bedeutender Juden zu überbieten
Das zu David Friedrich Strauss.
Ich frage: Von welchen griechisch-römischen Vorstellungen haben sie das übernommen. Ich kenne keinen griechischen oder römischen Gott, der von einer Jungfrau geboren wurde.
Wenn man sowas behauptet, sollte man wenigstens den Mythos zitieren, meine ich.
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Re: Frage zur Göttergeburt ad Marcem03

Beitragvon marcus03 » Sa 9. Dez 2023, 17:59

Nicht Götter werden von Jungfrauen geboren, sondern göttliche Menschen, andres theoi.
Damit werden sie legitimiert und erhalten so ihre Authorität, um ihern Auftrag zu erfüllen.
Jesus wurde von Gott = der Liebe legitimiert und wirkte kraft seiner Liebe ohne Gewalt und Machtansprüche
(Mein Reich ist NICHT von dieser Welt).
Er herrschte qua der Kraft der Liebe, die er aus seinem Gottesbewusstsein bezog.
"Der Vater und ich sind (willens)eins." Er wusste sich als Vollzieher der grenzenlosen Liebe seines Abba.
Der Auftrag Jesu war, die Liebesfähigkeit im Menschen zu aktivieren, worin dessen Gottesebenbildlichkeit
allein besteht.
Der Monothelitismus ist wesentlicher Teil seines Selbstverständnisses.
Mit der theologischen Jungfrauengeburt wird m.E. ausschließlich die göttliche Liebesfähigkeit Jesu
zum Ausdruck gebracht, sein Gottsein besteht in ihr, er ist Gott, insofern er reine Liebe war, die sich
verschenkt, heilend und helfend durch das Spürenlassen, dass jeder Mensch von Gott um seiner selbst willen angenommen ist, eine Daseinsberechtigung qua Existenz hat und es Gottes Wille ist, dies dem Menschen spüren zu lassen. Nur darin macht die Menschwerdung Sinn.
Wir werden geboren um liebesfähig zu werden (Sölle), denn in der Liebe ist das Gesetz erfüllt und
findet die Synthese statt, wie auch Hegel sagt. Liebe führt zusammen, heilt, versöhnt und vollendet,
ist der Sinn des Lebens und das Telos der Evolution aus christlicher Sicht. (Christogenese)
Wie die Schöpfung in die absolute, radikale Freiheit entlassen wurde, mit der auch final das Phänomen Liebe entstand, so ist der Mensch radikal frei, zur Freiheit verdammt (Sartre), zu lieben oder nicht zu lieben mit allen Konsequenzen und seit Christus mit der Hoffnung, dass Liebe Zukunft hat und nicht im Tod endet.
Amen, amen, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen. (Joh 3,18)
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Re: Frage zur Göttergeburt ad Marcem03

Beitragvon Odinus Thorus » Sa 9. Dez 2023, 18:23

Lieber Marcus02, lass doch mal die Theologie beiseite, und antworte auf die Ideengeschichtlich konkrete Frage: Gab es im rl. Umfeld des Geschehens eine Vorlage, nach der ein Gott nur von einer Jungfrau geboren werden kann. Wenn ja, welche...
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Re: Frage zur Göttergeburt ad Marcem03

Beitragvon marcus03 » Sa 9. Dez 2023, 18:58

Odinus Thorus hat geschrieben:Gab es im rl. Umfeld des Geschehens eine Vorlage, nach der ein Gott nur von einer Jungfrau geboren werden kann.

Ich weiß es nicht, vermute aber nein.
Warum sollte ein Gott von einer Jungfrau stammen müssen? Das macht ihn nicht göttlicher.
Gott ist Gott. Mehr als Gott geht nicht.
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Re: Frage zur Göttergeburt ad Marcem03

Beitragvon Odinus Thorus » Sa 9. Dez 2023, 20:08

marcus03 hat geschrieben:
Odinus Thorus hat geschrieben:Gab es im rl. Umfeld des Geschehens eine Vorlage, nach der ein Gott nur von einer Jungfrau geboren werden kann.

Ich weiß es nicht, vermute aber nein.

Das ist eine Antwort, danke.

marcus03 hat geschrieben:Warum sollte ein Gott von einer Jungfrau stammen müssen? Das macht ihn nicht göttlicher.

1. weil von exegetischer Seite (D. F. Strauß) in interpretatorischer Absicht das Argument kam - vor dem Hintergrund: Es kann nicht sein, was nicht sein darf - die auf die Jungfrauengeburt hindeutenden Bemerkungen seien in den Text hineinmontiert worden, um der Idee der Gottesohnschaft oder göttlichen Abkunft vorzubauen, nach dem Gedanken, wenn es keinen irdischen Genitor gab, kann es nur Gott gewesen sein. So ungefähr: Der Evangelist brauchte noch Wunder! Und im 19. Jahrhundert dann der Gedanke, die Leute waren bis heute so alle ziemlich doof und naiv, das zu glauben.

2. Muss dazu gesagt werden, wenn der Gedanke einer Jungfrauengeburt neu ist, dann ist er auch wahr, weil niemand etwas erfinden kann, was es nicht gibt. Die höhere Judenschaft (Matrikelzwang) wird sich gesagt haben, Josef ist sein Vater. Josef wird dem nie öffentlich widersprochen haben, um sich nicht selbst zu desavouiren, sonst hätte man ihn gefragt, warum er bei der Schl... bleibt. Romantische Liebe war damals nicht so in. Es wird also vorerst das Geheimnis der beiden gewesen sein. Irgendwann aber werden sie untereinander das Thema angeschnitten haben.

Warum komm ich auf das thema: https://latina-press.com/news/312917-co ... -krokodil/
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Re: Frage zur Göttergeburt ad Marcem03

Beitragvon ille ego qui » So 10. Dez 2023, 09:36

Marcus gehört der o-Deklination an ... :cry: :D
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carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis
arma virumque cano ...
ille ego qui
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Re: Frage zur Göttergeburt ad Marcem03

Beitragvon marcus03 » So 10. Dez 2023, 11:56

Odinus Thorus hat geschrieben:Es kann nicht sein, was nicht sein darf - die auf die Jungfrauengeburt

Es hat noch nie eine biologische Jungfrauengeburt gegeben. Das ist naturgesetzlich unmöglich.
Die Naturgesetze gelten im gesamten Kosmos.
Odinus Thorus hat geschrieben: Der Evangelist brauchte noch Wunder!

Ja, weil er
a) noch glaubte, es sei notwendig (obwohl es aus heutiger Sicht völlig irrelevant ist)
b) er ein literarisches Stilmittel aufgriff, um die Bedeutung einer Person hervorzuheben
c) er wohl nicht zuende gedacht hatte, dass das eigentliche Wunder in der
besonderen Liebesfähigkeit und Wesenart Jesu bestand
d) nicht wusste, dass alle Wunder psychologisch erklärbar sind (Lösung von Blockaden, Befreien von Ängsten, Erfahrung von bedingungsloser Akzeptation u.ä.)

Odinus Thorus hat geschrieben: wenn der Gedanke einer Jungfrauengeburt neu ist, dann ist er auch wahr,

Wieso das denn?

Die Jungfrauengeburt kommt nur in einem Evangelium vor im Rahmen einer völlig unhistorischen Legende.
Vom historischem Josef wissen wir nichts, von Maria ebenso fast nichts, Paulus interessiert sie gar nicht, wie der Exeget Franz Mußner in einer Vorlesung 1983 einmal sagte.

Die Bedeutung von Maria kann nur darin bestehen, dass sie eine sehr liebevolle Mutter war, die
mit viel Zeit, Zärtlichkeit und Zuwendung (Proexistenz) aus ihrem Sohn einen selbst-und liebesbewussten,
und extrem liebesfähigen Menschengemacht hat, der für sein Liebeskonzept mit seinem Leben bezahlt hat.

Die ganze schwülstige, aufgeblasene, fast theatralische Mariologie verstellt den Blick auf ihre wesentliche
Rolle, die einer bedingunglos und in höchsten liebender Mutter, deren Liebe ihr Sohn noch einmal
getoppt hat mit einem bedingungslos liebenden, philanthopischen, absolut biophilen Gott,
dessen Biophilie nicht zuletzt in der Auferweckung seines Sohnes und damit der Zukunft von Leben in welcher Form auch immer sich bestätigt hat.
Er muss von der Geburtan gespürt haben, was Liebe ist und wie man sie effektiv praktiziert und
so Menschen hilft und für sich gewinnt.
Sie hat ihn wohl v.a. angstfrei erzogen ("Angst essen Seele auf") und ihm eine gesunde seelische Entwicklung ermöglicht.
Später hat er dann durch intensive Menschenbeobachtung seine weiteren Erkenntnisse und Überzeugungen gewonnen und vertieft,bevor er im Alter von etwa 30 Jahre auftrat um für dieses Konzept = seinen Gott zu werben und es Heilsmodell zu implementieren gegen alle Widerstände des religiösen Systems
Der "Wunderheiler Jesus" war primär ein guter Psychologe, der wusste, wonach des Menschen Herz verlangt.

John Lennon, der vor ziemlich genau 43 Jahren umgebracht wurde, sagte einmal:

„Ich glaube an Gott, aber nicht als ein Ding, nicht als einen alten Mann im Himmel. Ich glaube, das was Menschen Gott nennen, ist etwas in uns allen. Ich glaube, dass das was Jesus und Mohammed und Buddha und der ganze Rest gesagt haben, wahr ist. Es wurde nur durch die Übersetzungen verfälscht.“

Was soll dieser Gott in uns anderes sein als unsre Fähigkeit zu lieben und biophil zu handeln.

Franz Alt haut mit seinem neuen Buch in dieselbe Kerbe:
Die außergewöhnlichste Liebe aller Zeiten: Die wahre Geschichte von Jesus, Maria Magdalena und Judas
(2021)
Ein Buch, gegen das viele Fachtheologen Vorbehalte haben, auch deswegen, weil es sie selbst infrage stellt. Ihnen mangelt es in ihrer Wissenschaftlichkeit an ganz einfachen Überlegungen und der Fantasie,
wie Jesus in seiner Art auf Menschen gewirkt haben muss.
Mit seiner Dogmatisierung nahm dann die Katastrophe ihren Lauf bis hin zur Pervertierung seiner gewaltfreien Frohbotschaft von einem Gott, vor dem niemand Angst haben muss, wenn er ihm vertraut.
Die Dogmatik hat das Menschliche in Jesus unterdrückt zu(un?)gunsten des Göttlichen,obwohl sie
sein simultanes volle Gott- und Menschsein theoretisch plakatiert, praktisch aber verkürzt.
Warum soll Jesus keine Liebesbeziehung zu einer Frau gehabt haben (vgl. Die letzte Versuchung, 1988).
Warum darf der Gläubige das Humanum in Jesus nicht zuende denken, wenn zugleich gesagt wird,
dass unsere Erlösung gerade in der Menschwerdung als Identikation des Schöpfers mit seinem Geschöpf besteht und nicht in einem abstrusen Sühneopfertod um einen strafsüchtigen Gott zu befriedigen
(Amseln von Canterbury u.a.)?

Das ganze Theater um Jungfrauengeburt, Wunder, grausame Sühneerlösung hat nicht das Geringste
mit der Grundbotschaft des NT zu tun, dass Gott alle Menschen qua Existenz liebt, keine Unterschiede
macht nach Herkunft, Religion etc., frei von Rach-und Strafsucht ist, die Freiheit des Menschen in
keinerlei Hinsicht einschränkt und und und, sondern dessen freie Entscheidung für den Weg der Liebe
möchte als einzige Grundlage für ein humanes Miteinander in gegenseitiger Achtung, in Würde und
maximaler Toleranz, die nur dort ihre Grenzen hat, wo gegen das Liebesgebot verstoßen wird und
Menschen wehgetan wird. Wie im Buddhismus gilt AHIMSA = NICHT-VERLETZEN und zwar für Mensch und Natur.
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Re: Frage zur Göttergeburt ad Marcem03

Beitragvon Sapientius » So 10. Dez 2023, 12:10

Marce, du sagst das alles sehr schön, aber es genügt nicht, das Christentum würde sich in den einzelnen Individuen verflüchtigen; es braucht einen organisatorischen Rahmen, um über die Jahrhunderte und Jahrtausende zu kommen; es gibt aber auch den Markt der Religionen und Weltanschauungen mit einem Verdrängungswettbewerb; es braucht Lehramt und Disziplin: daher der unfehlbare Stellvertreter Gottes auf Erden.
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Re: Frage zur Göttergeburt ad Marcem03

Beitragvon marcus03 » So 10. Dez 2023, 14:02

Sapientius hat geschrieben:daher der unfehlbare Stellvertreter Gottes auf Erden.

Der Papst ist nicht unfehlbar, auch ex cathedra nicht. Und Päpste haben nachweislich geirrt.
vgl. Hans Küng, Unfehlbar, eine Anfrage, 1970
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