Hippolyt

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Re: Hippolyt

Beitragvon mystica » Fr 18. Mär 2022, 12:56

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Re: Hippolyt

Beitragvon Odinus Thorus » Fr 18. Mär 2022, 22:58

Hallo Mystika, ich finde Deine Deutung so gut und treffend, dass mir dazu nur noch der Jellingstone einfällt: https://de.wikipedia.org/wiki/Runensteine_von_Jelling Da geht es auch um Schicksalsbande.
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Re: Hippolyt

Beitragvon Tiberis » Sa 19. Mär 2022, 01:21

mystica hat geschrieben: Ἱππό bedeutet "Pferd" und der Wortbestandteil -λυτος (von λύω "lösen, entfesseln") zeigt prophetisch (nomen est omen!) an, dass er "von entfesselten Pferden" getötet werden wird.


Mag Odinus auch diese Deutung "gut und treffend" finden, so ist sie trotzdem nicht ganz richtig, denn der Wortteil -λυτος bezieht sich ganz eindeutig auf den Menschen (Hippolytos) und eben nicht auf die Pferde.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten der Deutung: 1.) (aktivisch) der die Pferde löst/abspannt , und 2.) (passivisch) der von den Pferden gelöst ist.
Diese konkrete Wortbedeutung kann jedoch nicht auf den Tod des Hippolytos bezogen werden, da die Pferde ja nicht abgespannt waren, sondern mit ihm "durchgingen". Ein Bezug des Namens zum Schicksal des H. gelingt wohl nur auf metaphorischer Ebene, wie ich es weiter vorne andachte.
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Re: Hippolyt

Beitragvon Sapientius » Sa 19. Mär 2022, 10:44

lyein heißt u.a. die Zügel loslassen, schießenlassen, dem Pferd freien Lauf lassen, also optimales Reiten, -λυτος sehe ich als passive Form, auf hippos bezogen, "frei laufendes Pferd".

Die Bestandteile kommen auch in umgekehrter Kombination vor: Lys-ippos, berühmter Bildhauer.

Die Gr. haben aber mit ihrer Namensgebung nicht solche Aussagen verbinden wollen wie die Juden: "Reuben" heißt der älteste Sohn Jakobs, glaube ich; der Jubelruf der Mutter: "Seht, ein Sohn!", bei einer Tochter hätte sie vllt. gar nichts gerufen.
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Re: Hippolyt

Beitragvon Odinus Thorus » Sa 19. Mär 2022, 11:58

Sapientius hat geschrieben:Die Gr. haben aber mit ihrer Namensgebung nicht solche Aussagen verbinden wollen wie die Juden: "Reuben" heißt der älteste Sohn Jakobs, glaube ich; der Jubelruf der Mutter: "Seht, ein Sohn!", bei einer Tochter hätte sie vllt. gar nichts gerufen.

Woher weisst Du das? Über die früheste Geschichte und Motivation der Namensgebung beim Menschen wissen wir wenig. Wann entstand die Namensgebung bei der Geburt? Die ersten Namen waren sicherlich nicht bei der Geburt verpasste Silben. Die Mythologischen Namen, die Namen der Heroen, können ja gar nicht bei der Geburt entstanden sein.
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Re: Hippolyt

Beitragvon Tiberis » Sa 19. Mär 2022, 15:14

Sapientius hat geschrieben:lyein heißt u.a. die Zügel loslassen, schießenlassen, dem Pferd freien Lauf lassen, also optimales Reiten

"die Zügel loslassen" heißt ηνιας λυειν, aber ιππους λυειν - ich kann mich nur wiederholen - heißt "die Pferde losmachen/losbinden/abspannen".
Ganz abgesehen davon, dass Hippolytos bei Euripides die Zügel gar nicht losgelassen hat!
zu λυω siehe
https://bernhard-senza.com/Griechisch/Pape/index.php
Sapientius hat geschrieben:auf hippos bezogen, "frei laufendes Pferd".

mit Verlaub, aber das ist Unsinn, wie zahlreiche vergleichbare Beispiele belegen.
Ιπποδαμος heißt ja auch nicht "gebändigtes Pferd", sondern "Pferde/Rosse bändigend", ιπποβοτος ist nicht ein gut genährtes Ross, sondern heißt "rossenährend", λυκοκτονος bedeutet nicht "tötender Wolf", sondern "Wölfe tötend" usw.
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Re: Hippolyt

Beitragvon Veterinaria » Sa 19. Mär 2022, 18:44

Salve Sapientius,

leider kann ich nicht Altgriechisch und deshalb bei der richtigen Übersetzung nicht mitreden; aber dafür da:

Sapientius hat geschrieben: dem Pferd freien Lauf lassen, also optimales Reiten


"Dem Pferd freien Lauf lassen" hat nichts mit "optimalem Reiten" zu tun. Beim optimalen Reiten steht das Pferd an den Hilfen, lies an Bein und Zügel. Und zwar so, dass es sich nicht im Genick festmacht. Im Idealfall bilden Zügel vom Zügelring über die Hand und Unterarm bis zum Ellenbogen des Reiters eine gerade Linie. Nicht einmal während einem heutigen Pferderennen werden die Zügel einfach losgelassen - im Finish gibt man ihnen "soviel Zügel" wie möglich, aber ohne dass man die Herrschaft über die Pferde verliert.

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Re: Hippolyt

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 19. Mär 2022, 21:07

Da hat sich ja einiges daraus entwickelt.. :-D
Wenn man den Thread durchliest, kommt man natürlich auf eine zweite Bedeutung von Ἱππόλυτος, außer eines Abspanners der Pferde: Es kann nach den Bedeutungen von λύω auch heißen, dass er von Pferden zerstört/vernichtet worden ist.
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Re: Hippolyt

Beitragvon mystica » So 20. Mär 2022, 15:24

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Re: Hippolyt

Beitragvon Tiberis » So 20. Mär 2022, 17:03

Medicus domesticus hat geschrieben:Es kann nach den Bedeutungen von λύω auch heißen, dass er von Pferden zerstört/vernichtet worden ist.

sehr unwahrscheinlich. Im Kontext mit Pferden bedeutet λυειν wohl immer "abspannen", oder kennst du irgendeine Stelle, wo das nicht so ist?
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Re: Hippolyt

Beitragvon Medicus domesticus » Di 22. Mär 2022, 11:32

Tiberis hat geschrieben:Im Kontext mit Pferden bedeutet λυειν wohl immer "abspannen", oder kennst du irgendeine Stelle, wo das nicht so ist?

Es gibt zwar einige Autoren, die das genauso sehen wie ich, aber prinzipiell hast du recht, dass es keine echten Vergleichsstellen gibt.

Eine Möglichkeit sehen manche im Vergleich mit
βουλυτός: die Zeit, zu der die Ochsen ausgespannt sind...Abendzeit.
Ἱππόλυτος: (der Mann), dessen Pferde ausgespannt sind.
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Re: Hippolyt

Beitragvon marcus03 » Di 22. Mär 2022, 12:36

Medicus domesticus hat geschrieben:Ἱππόλυτος: (der Mann), dessen Pferde ausgespannt sind.

Warum sollte man jemanden so nennen? Aitiologie?
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Re: Hippolyt

Beitragvon Medicus domesticus » Di 22. Mär 2022, 21:27

Das ist ein Beispiel für die Interpretationen. Die Etymologie ist umstritten. Niemand hat die Wahrheit gepachtet.
Eine solche Diskussion hat den Vorteil, dass man sich in etwa auf einen Kompromiss einigen kann.
In der Philologie egal ob Griechisch oder Latein..häufig bei speziellen Fragen. Ich erinnere mich an Streitigkeiten und Diskussionen in der Lateinischen/Griechischen Philologie und ja ebenfalls in der Medizin. :smile:
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Re: Hippolyt

Beitragvon Tiberis » Di 22. Mär 2022, 22:42

Medicus domesticus hat geschrieben:dass man sich in etwa auf einen Kompromiss einigen kann.

ein solcher scheint sich tatsächlich abzuzeichnen:
Ich habe einmal gehört oder gelesen, dass Komposita auf -ος, bestehend aus Substantiv + zweisilbigem, von einem Verb abgeleiteten Adjektiv (wie in unserem Beispiel ιππο-λυτος), passive Bedeutung haben, wenn der Akzent auf der drittletzten Silbe liegt, hingegen aktive, wenn die Paenultima betont ist. Zahlreiche Beispiele scheinen das zu belegen ,wie etwa θεόφορος (von Gott getragen/begeistert), θεότιμος (von Gott geehrt), hingegen λυχνοφόρος (Lampenträger), οικονὀμος (Hausverwalter) u.dgl. Ob es immer so ist, weiß ich nicht, aber für die Mehrzahl der Fälle scheint diese Regel gültig zu sein.
Auf unsere Frage bezogen, ergibt sich daraus, dass Ιππὀλυτος passivisch zu erklären wäre (der von den Pferden gelöste). Womit wir wieder auf der Ebene des Symbolischen wären (s.o.) ;-)
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Re: Hippolyt

Beitragvon Odinus Thorus » Mi 23. Mär 2022, 08:42

Tiberis hat geschrieben:θεότιμος

interessant, aber Διοτίμα! Wieso dat Δ? Is doch griechisch?
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