Mystika-Frage

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Mystika-Frage

Beitragvon sinemetu » Mo 13. Jan 2020, 09:28

Mein Vater war ein wandernder Aramäer. Deut. 26, 4
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Gerade dieser Satz wird aber in der jüdischen Überlieferung auf zwei ganz unterschiedliche, einander ausschließende Weisen verstanden. Ibn Esra und Raschbam, zwei wichtige Gelehrte des Mittelalters, verstehen ihn so, wie wir ihn auch übersetzt haben: Mein Vater war ein herumirrender Aramäer. Die gewichtigere Meinung der jüdischen Tradition liest aber mit dem Midrasch Sifre und dem wichtigsten Ausleger überhaupt, mit Raschi: Ein Aramäer verfolgte meinen Vater. Der hebräische Text läßt beide Lesarten zu. Auch die biblische Geschichte gibt uns keine Entscheidungshilfe, denn beides stimmt. Abraham, der Stammvater des jüdischen Volkes war ein wandernder Aramäer. Genauso wurde aber auch ein weiterer Stammvater, Jakob, der Enkel Abrahams, durch seinen Schwiegervater Laban verfolgt, der Aramäer war.

Quelle: http://a-r-k.de/paraschat/58/

Ich weiß nicht, woher die Auffassung stammt, Abraham war ein Aramäer? Er stammte aus Ur in Kasdim. Wenn man jetzt Ur als Stadt liest, steht da, er stammte aus einer kaldäischen Stadt. Und die Kaldäer waren keine Aramäer. Und seine nichtsemitische Herkunft war ihm so wichtig, daß er von dort eine Frau für seinen Sohn holen ließ.

Mal rein Grammatisch: Mir fehlt zur Entscheidung, welche Version richtig ist, die Nota Akkusativa. Wenn es heißen soll, ein Aramäer verfolgte meine Vater, müßte es doch heißen: Arami awad et avi, oder? Und auch - Owen ist ja Partizip - ....
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Re: Mystika-Frage

Beitragvon marcus03 » Mo 13. Jan 2020, 10:02

sinemetu hat geschrieben:woher die Auffassung stammt, Abraham war ein Aramäer? Er stammte aus Ur in Kasdim.

Er stammt nirgendwoher. Es handelt sich um eine literarische Fiktion wie so oft im AT, in diesem Fall zu genealogischen Zwecken.
Ursprünglich hieß er Abram, daraus wurde Abraham (Vater der Menge). Nomen est omen.
Es geht um einen genealogischen Mythos und eine Namensätiologie.
Es gab weder einen Abraham noch Moses etc.
Sie entsprangen der Fantasie interessegeleiteter Theologen.
(vgl. S. Freud, Der Mann Moses)
Die wahre Geschichte Isreals dürfte ganz anders verlaufen sein, als sie die Bibel darstellt,
auch wenn der eine oder andere Sachverhalt dort seinen Niederschlag gefunden hat.
Als historische Quelle eignet sich die Bibel bekanntlich nur sehr bedingt und ist mit
äußester Vorsicht zu genießen, da viel zu tendentiell und theologisch orientiert.
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Re: Mystika-Frage

Beitragvon sinemetu » Mo 13. Jan 2020, 12:11

marcus03 hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben:woher die Auffassung stammt, Abraham war ein Aramäer? Er stammte aus Ur in Kasdim.

Er stammt nirgendwoher. Es handelt sich um eine literarische Fiktion wie so oft im AT, in diesem Fall zu genealogischen Zwecken.

Diese Diskussion wollt ich jetzt nicht, Marcus ...

Wenn jemand von seinem Vater spricht, und damit sich auf die Schriften bezieht, also im jüd. Gesichtskreis lebt. Dass setze ich mal voraus.
Dann, und dann erst besteht eine Widerspruch zwischen Arami owed und bUr kasdim.

marcus03 hat geschrieben:Ursprünglich hieß er Abram, daraus wurde Abraham (Vater der Menge). Nomen est omen.
Es geht um einen genealogischen Mythos und eine Namensätiologie.
Es gab weder einen Abraham noch Moses etc.


Wenn es soviel Dinge gibt, die (noch) keinen Namen haben (verborgenes Wissen), um wieviel mehr wird es all die Dinge geben, die einen Namen haben, und wenn als Fiktion.
Zuletzt geändert von sinemetu am Mo 13. Jan 2020, 12:51, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Mystika-Frage

Beitragvon marcus03 » Mo 13. Jan 2020, 12:35

Ja, es gibt auch Einhörner - im Märchen und intelligente Wesen im All - nach statistischen
Berechnungen (Drake-Formel).
Die Fantasie des Menschen ist grenzenlos wie auch der Unsinn, den sie sich ausdenkt, auch um
damit gute Geschäfte zu machen.
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Re: Mystika-Frage

Beitragvon sinemetu » Mo 13. Jan 2020, 12:41

Du verkennst die Gewalt von Ideen, Marcus03. Es ist vollkommen egal, ob es sie nun wirklich gegeben hat oder nicht! Die Wirklichkeit wird bekanntermaßen von der Fiktion geschrieben. Sonst käme gar nicht die Frage auf: Wie es wirklich gewesen ist. In der Betrachtung der Kräfte - Mensch - Gedanke, ist der Mensch allemal der schwächere. Er ist nichts anderes, als das Werkzeug einer Idee. Sieh Dir an, wieviele Millionen Tote Ideen bisher gekostet haben. Vielleicht begreifst Du jetzt, was ein Gott ist. Der Einfall, diese Sache eine Idée fixe zu nennen, verkennt die Kraft dieser real existierenden und alles bestimmenden Wesen. Mir ist es viel angenehmer, einem Gotte zu dienen, der allwissend, allgegenwärtig, etc. ist, als einem namens Klimawandel. Aber dienen müssen wir alle, am meisten die, die meinen, es gäbe keinen.

"Nichts kann gefährlicher sein als eine allgemeine Idee in einem kleinen, leeren Gehirn.
https://www.michael-klonovsky.de/acta-diurna

Aber lass uns zur gegebenen Frage diskutieren, nicht andauernd diese Offtopix ...
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Re: Mystika-Frage

Beitragvon marcus03 » Mo 13. Jan 2020, 12:57

sinemetu hat geschrieben:"Nichts kann gefährlicher sein als eine allgemeine Idee in einem kleinen, leeren Gehirn.

Was ist eine allgemeine Idee? Beispiel? :?

Ideen sind wichtig, sonst gäbe es keinen Fortschritt. Entscheidend ist, was am Ende dabei rauskommt
und wer für die Kosten und Folgen aufkommen muss.
Gefährlich und teuer sind indes meist Visionen. Der Visionär kassiert ab (Ackermann, Ron Sommer, ... ),
für die Konsequenzen müssen andere geradestehen (Finanzierer, Staat, Bürger).

sinemetu hat geschrieben:vielleicht begreifst Du jetzt, was ein Gott ist.

Du meinst "Götzen". Häufiger Ablauf: gute Idee -> Vision -> Größenwahn -> Götzendienst -> Untergang (bestes Beispiel:
Leeman-Pleite)

Sorry, wieder abgeschweift. Mein Hebräisch ist zu dürftig für die Diskussion. :)
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Re: Mystika-Frage

Beitragvon sinemetu » Mo 13. Jan 2020, 13:08

Ich hab mal in der LXX nachgeschaut.
Bild
apoballo - würd ich mit wegwerfen, verwerfen spontan übersetzen.
Apebalen ist doch einfach Präteritum 3. P. Sing. - er warf weg, oder ist es Partizip kongruent zu Syrian?
Ist Syrian nicht der Akkusativ?
Und wie kommt die Übersetzung, mein Vater war ein verworfener Syrer zustande? Gibt es denn im Griechischen kein Nominalsatz?
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Re: Mystika-Frage

Beitragvon medicus » Mo 13. Jan 2020, 13:08

marcus03 hat geschrieben:Mein Hebräisch ist zu dürftig für die Diskussion.

Vielleicht kann mystica helfen, der Thread trägt ja auch ihren Namen als Überschrift. :book:
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Re: Mystika-Frage

Beitragvon marcus03 » Mo 13. Jan 2020, 13:22

sinemetu hat geschrieben:Apebalen ist doch einfach Präteritum 3. P. Sing.

Nein, sondern starker Aorist. --> er verwarf

καὶ λήμψεται ὁ ἱερεὺς τὸν κάρταλλον ἐκ τῶν χειρῶν σου καὶ θήσει αὐτὸν ἀπέναντι τοῦ θυσιαστηρίου κυρίου τοῦ θεοῦ σου,
5καὶ ἀποκριθήσῃ καὶ ἐρεῖς ἔναντι κυρίου τοῦ θεοῦ σου Συρίαν ἀπέβαλεν ὁ πατήρ μου καὶ κατέβη εἰς Αἴγυπτον καὶ παρῴκησεν ἐκεῖ ἐν ἀριθμῷ βραχεῖ καὶ ἐγένετο ἐκεῖ εἰς ἔθνος μέγα καὶ πλῆθος πολὺ καὶ μέγα·

Mein Vater war ein heimatloser Aramäer. Er zog nach Ägypten, lebte dort als Fremder mit wenigen Leuten und wurde dort zu einem großen, mächtigen und zahlreichen Volk.
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Re: Mystika-Frage

Beitragvon sinemetu » Mo 13. Jan 2020, 13:26

Also "heimatlos" ist sehr stark interpretativ übersetzt. Ich würd dafür ne 5 geben, abgeschrieben von ner geglätteten Bibel...
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Re: Mystika-Frage

Beitragvon sinemetu » Mo 13. Jan 2020, 13:29

Wie weit liegen die Deuteronomistische Redaktion und die LXX auseinander? Haben die Leute allgemein sich in Babylon als Aramäer bezeichnet? Oder nur, diejenigen, die dorthin deportiert wurden, also die Jerus. Kultgemeinde?
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Re: Mystika-Frage

Beitragvon marcus03 » Mo 13. Jan 2020, 13:40

Die Deuteronomisten schrieben in spätexilischer und vor allem frühnachexilischer Zeit und bildeten die führende Gruppe unter den Heimkehrern aus dem Exil.

Die Übersetzung entstand ab etwa 250 v. Chr. im hellenistischen Judentum, vorwiegend in Alexandria. Die meisten Bücher waren bis etwa 100 v. Chr. übersetzt, die restlichen Bücher folgten bis 100 n. Chr.[1]
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Re: Mystika-Frage

Beitragvon sinemetu » Mo 13. Jan 2020, 13:52

Haben die LXX Leute Syrian nur deshalb gesetzt, weil die Griechen den Landstrich unter diesen Namen kannten? Zur Zeit der Vernichtung Samarias hing der Name Aram noch an Damaskus. Der Name Syrien kommt von Assur, am Euphrat, nicht von Damaskus. Warum man den Dialekt von Babylon Aramäisch nannte, weiss ich nicht, den NBKDNZR hatte ja mehr Land erobert, nicht nur Aram.
Sollten - nach Deuteronomistischer Auffassung - denn in reichsaramäischer Zeit die Leute sich zu Aram bekennen, und deshalb lügen: mein Vater war ein Aramäer? Und zu den Zeiten der Diadochen nannten sie sich dann Syrer. Warum nannten die Griechen überhaupt den Landstrich Syria? Fassten die damals auch Babylon darunter?
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Re: Mystika-Frage

Beitragvon marcus03 » Mo 13. Jan 2020, 14:51

Ich rate dir: Besorg dir einen wissenschaftlichen Kommentar zu diesem Buch.
In Exkursen werden solche Details meist gut erklärt.

http://www.theologische-buchhandlung.de ... -23-36.htm
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Re: Mystika-Frage

Beitragvon sinemetu » Mo 13. Jan 2020, 14:55

Markus03, ich schaff es finanziell nicht, mir zu allen meinen Fragen wissenschaftliche Kommentare zu kaufen, und dann muß ich auch an die Kinder denken, die interessieren sich für alle meine Themen 0,0000 ... Lass uns doch hier im Forum warten auf Leute, die sowas haben, oder sich schon darüber Gedanken gemacht haben. Und in der Regel beantworten Kommentare bei weitem nicht, was sich an Frage ergibt ...
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