darauf vergessen

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Re: darauf vergessen

Beitragvon Prudentius » Di 7. Okt 2014, 10:55

Ich bin in meinem langen Leben zwischen den oö. und d. Sprachwelten hin- und hergewechselt, mir ist der Unterschied mit vergessen auf auch aufgefallen; es gibt erhebliche Unterschiede in Wortschatz und Bedeutungen; Ananas heißt im Ö. etwas anderes als in D:, aber am lustigsten ist der Unterschied bei "ausrasten", es gibt herrliche Missverständnisse!
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Re: darauf vergessen

Beitragvon consus » Di 7. Okt 2014, 12:46

Servus, Iurisconsulte!
Nur eine kleine Nebenfrage:
Mein dir ja schon bekanntes und familiär bedingtes juridisches Interesse lässt mich angesichts gewisser sprachlicher Unterschiede zwischen A und D die Frage stellen, ob es für die österreichischen Gerichte eine dem deutschen § 184 GVG vergleichbare gesetzliche Regelung gibt? (Der bayerische Richter am Amtsgericht, besonders dann, wenn es sich um einen Import aus den Zonen nördlich des Mains handelt, wird ja auch zuweilen seine liebe Not haben, einheimische Beschuldigte und Zeugen zu verstehen...)
Zuletzt geändert von consus am Di 7. Okt 2014, 14:37, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: darauf vergessen

Beitragvon iurisconsultus » Di 7. Okt 2014, 14:20

Servus conse!
Ganz kurzer Abriss über die Gesetzeslage in Österreich:

Nach Art. 8 Abs 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die deutsche Sprache, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik. Art. 7 Z 3 Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich (Staatsvertrag von Wien) verpflichtet Österreich, in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens, des Burgenlandes und der Steiermark mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung die slowenische oder kroatische Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zuzulassen. Dieser Verpflichtung ist Österreich in den §§ 13 ff Volksgruppengesetz (VoGrG) nachgekommen. Ist das Organ der Sprache der Volksgruppe nicht mächtig, so ist ein Dolmetscher beizuziehen (§ 15 Abs 3 VoGrG).

Während meiner bisherigen Gerichtspraxis am Bezirksgericht Linz und Urfahr-Umgebung konnte ich keine nennenswerten Verständigungsschwierigkeiten auf Grund regionaler Sprachvarietäten feststellen. Befürchtete der Richter, die Verfahrenspartei nicht gehörig zu verstehen, wurde sie vorab ermahnt, möglichst Hochdeutsch zu sprechen, was recht gut funktionierte. ;) Erstaunt war ich jedoch, wie gut der 60-jährige "Herr Rat" des Rotwelsch mächtig war. In Sonderheit in Verfahren wegen Verstößen gegen das Suchtmittelrecht habe ich viele Ausdrücke gelernt, die ich nicht unbedingt in meinem Wortschatz benötigt hätte. Zum Glück werde ich die restliche Zeit in Zivilrechtssachen zubringen. ;)
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Re: darauf vergessen

Beitragvon consus » Di 7. Okt 2014, 15:05

iurisconsultus hat geschrieben:...Ganz kurzer Abriss über die Gesetzeslage in Österreich...
Iurisconsulto denuo salutem plurimam dicit c.
Herzlichen Dank für die doch gar nicht so kurze Information. Es ist immer wieder interessant zu erfahren, wie bestimmte Dinge in anderen Ländern gehandhabt werden.
In Sonderheit in Verfahren wegen Verstößen gegen das Suchtmittelrecht habe ich viele Ausdrücke gelernt, die ich nicht unbedingt in meinem Wortschatz benötigt hätte. Zum Glück werde ich die restliche Zeit in Zivilrechtssachen zubringen...
Ein Familienangehöriger von mir, der Ermittlungsrichter (§ 162 StPO) ist, wird das gut verstehen...

Aber wenden wir uns nach diesen Nebenbemerkungen nun wieder philologischen Themen zu! Bei "vergessen auf etwas" dachte ich zur Erklärung an die Umschreibung "keinen auf Erinnerung beruhenden Zugriff mehr auf etwas haben". Nach Duden Etymologie, Mannheim/Zürich 1963, S. 738, gibt es, grob gesagt, eine Verbindung mit engl. to get.
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Re: darauf vergessen

Beitragvon iurisconsultus » Di 7. Okt 2014, 15:56

consus hat geschrieben:Bei "vergessen auf etwas" dachte ich zur Erklärung an die Umschreibung "keinen auf Erinnerung beruhenden Zugriff mehr auf etwas haben".

conso denuo salutem plurimam dicit i!

"auf etwas vergessen haben" bedeutet: "nicht (rechtzeitig) an etwas gedacht haben". Dabei besteht ein feiner Unterschied zu "etwas vergessen".

Beispiel: Ein Schüler sagt zum Lehrer: "Ich habe auf die Hausaufgaben vergessen." Das bedeutet, er hat sie nicht (rechtzeitig) gemacht. Ein anderer Schüler sagt: "Ich habe die Hausaufgaben vergessen." Das bedeutet, er hat sie zwar gemacht, aber zu Hause liegen gelassen (= er hat sie ebenfalls nicht gemacht ;)).

Interessant auch: http://oewb.retti.info/oewb-public/show ... _stat=show
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Re: darauf vergessen

Beitragvon consus » Di 7. Okt 2014, 20:18

Vielen Dank, optime Iurisconsulte, für die Erklärung und die Verbindung zur Fragebogenauswertung. Was meine Kenntnis von Austriaca angeht, so haben sie sich nun wieder etwas erweitert.
Einen Gruß vom zurzeit herbstlich grauen Niederrhein schickt c.
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Re: darauf vergessen

Beitragvon iurisconsultus » Di 7. Okt 2014, 20:41

Es freut mich, optime conse, dass zur Abwechslung ich einmal deine Kenntnisse erweitern konnte.

Herzliche Grüße vom ebenfalls herbstlichen Linz!
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