Stolpersteine

Beiträge zu Themen, die in keine andere Kategorie passen

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Re: Stolpersteine

Beitragvon consus » Di 9. Sep 2014, 18:11

iurisconsultus hat geschrieben:... zum anderen sollen die Menschen über die Gedenktafeln nicht "stolpern und sich beim Sturz die Knochen brechen"...
Servus iterum, iuris interpres doctissime! Von zwei mir sehr nahestehenden Familienmitgliedern in der Kreisverwaltung bzw. im richterlichen Amte etwas beeinflusst, meine ich die feinen Untertöne bzgl. allfälliger Schaden(s)ersatzforderungen (ganz abgesehen von strafrechtlichen Auswirkungen) wohl heraushören zu können. Zum Glück haben zumindest übereifrige deutsche Kommunalverwaltungen noch nicht zwecks rechtlicher Absicherung durch Warntafeln auf die 'Stolpersteine' hingewiesen, obwohl vielleicht mancher Zeitgenosse so dazu gebracht werden könnte, einmal genauer nachzuschauen, wessen da jeweils gedacht wird. Sed iam satis sit...
Benutzeravatar
consus
Pater patriae
 
Beiträge: 14234
Registriert: Do 27. Jul 2006, 18:56
Wohnort: municipium cisrhenanum prope Geldubam situm

Re: Stolpersteine

Beitragvon iurisconsultus » Di 9. Sep 2014, 18:49

consus hat geschrieben:Sed iam satis sit...

Servus supremum, philologe doctissime! ich habe gar nicht an Schadenersatz (richtig, wir Österreicher mögen in diesem Wort das Fugen-s nicht :lol:) gedacht, aber dein Hinweis ist sehr berechtigt. Die Gemeinde sollte bemüht sein, die Gedenksteine vollständig im Boden zu versenken. Wenn das im Einzelfall technisch nicht möglich ist, müssten sie aber tatsächlich Hinweisschilder aufstellen, um wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten nicht schadenersatzpflichtig zu werden, wenn jemand zu Sturz kommt, weil er mit einem Fuß gegen die "herausragende" Gedenktafel gestoßen ist. Freilich zrifft den Fußgänger ein beträchtliches Mitverschulden. Seinen gesamten Schaden bekommt er daher sicher nicht ersetzt. :lol:

Etiam atque etiam vale!
Qui statuit aliquid parte inaudita altera,
aequum licet statuerit, haud aequus fuit.
(Sen. Med. 199-200)
Benutzeravatar
iurisconsultus
Dictator
 
Beiträge: 1238
Registriert: Di 31. Dez 2013, 15:37
Wohnort: Lentiae, in capite provinciae Austriae Superioris

Re: Stolpersteine

Beitragvon sinemetu » Di 9. Sep 2014, 19:29

Früher war das Erinnern an bestimmte Tote auf den Friedhof bzw. Tafeln an Häusern beschränkt. Inzwischen hat sich ja dort auch viel gewendet. Das öffentliche Erinnern an bestimmte Tote, wie es z. B. die Kreuze am Straßenrand (Verkehrsopfer) tun, die ja oft privat errichtet werden, werden m. E. geduldet des Lehreffektes wegen. Das hat durchaus sein Positives, alldieweil vllt doch mancher Tritt auf's Gaspedal etwas abgemildert wird. Hier besteht zumindest die Möglichkeit auf Verhalten einzuwirken.

Aber bei den Holokaustopfern allgemein, zu welchem Verhalten soll denn hier der Betrachter, eventuell noch durch ein Stolpern verstärkt, angehalten werden? Vllt dazu, die richtigen Parteien zu wählen? Dass hielte ich für argen Missbrauch des Totengedenkens. Überhaupt verbietet sich imho bei dem Thema jeder Exhibitionismus, besonders der der Lebenden. Totengedenken, Opfergedenken, und besonders etwas präziser Tätergedenken (ohne politischen Nebengedanken) ja, aber keine Erinnerungsdiktatur!

Mir ist besonders die Damnatio memoriae fragwürdig geworden. Denn eigentlich kann man doch nur aus dem Tätergedenken klüger werden.
Quaestor sum, quaerere quaerique possum ...
sinemetu
Senator
 
Beiträge: 4476
Registriert: Mo 2. Apr 2012, 18:02

Re: Stolpersteine

Beitragvon iurisconsultus » Di 9. Sep 2014, 21:09

Ich glaube, man sollte über diese Gedenktafeln nicht zu viel spintisieren. Sie evozieren bei den Menschen, die daran vorbeilaufen, eine (unwillkürliche) Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus und damit auch an die Täter wie den Nationalsozialismus überhaupt, und zwar "breitenwirksamer" als ein einzelnes Mahnmal. Ich kann daran nichts Störendes finden, da das Gedanken"gut" des Nationalsozialismus, zT "angepasst" an die veränderten Zeiten, immer noch viele Anhänger findet und auch immer finden wird, vor allem in (wirtschaftlich) schlechten Zeiten, in denen die demokratisch legitimierten Regierungen (nach Meinung vieler) häufig befriedigende Lösungen schuldig bleiben, was bisweilen den Ruf nach "einem starken Führer" aufkommen lässt, worüber all die Gräueltaten gern vergessen werden.
Qui statuit aliquid parte inaudita altera,
aequum licet statuerit, haud aequus fuit.
(Sen. Med. 199-200)
Benutzeravatar
iurisconsultus
Dictator
 
Beiträge: 1238
Registriert: Di 31. Dez 2013, 15:37
Wohnort: Lentiae, in capite provinciae Austriae Superioris

Vorherige

Zurück zu Sonstige Diskussionen



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 57 Gäste