Hallo,
auch bei uns wollen sie welche verlegen ... ich hab da mal was verfasst, und wollte fragen, ob man das so stehen lassen kann ....
"Gott sei Dank bin ich in eine komm. geprägte Schule gegangen. Ich bin der Meinung, dass nicht alles, was in der DDR uns als Unterrichtsstoff vorgesetzt wurde, falsch war.
Zum Beispiel mussten wir uns in der 7. Klasse mit dem Quasigedicht von Berthold Brecht „Die Teppichweber von Kujan-Bulak ehren Lenin“ auseinandersetzen.
(Für die Neuossis unter den lesern) Man kann die wenigen Zeilen hier einsehen:
http://archiv2.randzone-online.de/mewer ... e/me96.htmUnsere Erinnerungen, nicht nur die persönlichen Erlebnisse, die wir bezeugen können, sondern auch die ererbten, welche wir als Überlieferung von den Eltern oder aus den Büchern wissen, also alles, was wir uns als Bestandteil der Vergangenheit denken und was wir uns vergegenwärtigen, ist emotional bewertet. Diese Bewertung des Erinnerungsgutes passiert schon bei der Aufnahme in unseren Erinnerungsschatz und dran wird später nicht mehr groß gerüttelt. Es wird zum unhinterfragten Glaubensgut.
Grundsätzlich können wir alle feststellen, das es negative und positive Erlebnisse gibt, wie wir alle aus leiblicher Erfahrung wissen, und demzufolge auch solche und solche Erinnerungen. Negative Erinnerung vergegenwärtigt man sich nicht gerne, es sei denn zum Zwecke des Lernens.
Positive Erinnerung dagegen bilden oft Feste, Höhepunkte unseres Lebens. Wenn eine Ehe hält, ist die Hochzeit eine positive Erinnerung. So ist es kein Wunder, dass diese positive Erinnerung die Grundlage der vielen Hochzeitsfeiern, der silbernen, eisernen, goldenen, etc. darstellt. Bei allen souveränen Völker ist eine positive Erinnerung die Grundlage der öffentlichen Feste. Bei den Ungarn etwa gilt der Tag des heiligen Stephan, als positive Erinnerung, weil man darauf die eigene Staatlichkeit zurückführt.
In unserem Staate, der über sich selbst oft von „freiheitlichen“ Demokratie spricht, gibt es ein Amt, welches Verfassungsschutz heißt. Für dieses Amt arbeiten manchmal auch Juristen, die sich darüber Gedanken kommen lassen, was die Verfassung schützt und was gegen den Geist unserer Verfassung gerichtet ist. Ich habe mir vom Innenministerium eine Broschüre zukommen lassen, betitelt mit „Rechsextremistische Subkulturen“. In diesem Werk gibt es ein Kapitel namens „Strafrechtliche Erläuterungen §§ 86 und 86 a Strafgesetzbuch (Stgb)“.
Dieser Paragraph heißt Verbreitung von Propagandamitteln verfassungsfeindlicher Organisationen und lautet: „Wer Propagandamittel ...
2: einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist, ...
im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Ich habe mich mit einem Brief an unser Innenminsterium gewandt, mit der Frage, was Völkerverständigung eigentlich meint, und habe auch Antwort erhalten: „Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung verstößt ... gegen diesen Gedanken, wer in schwerwiegender Weise "die Gewalt in das Verhältnis von Völkern hineinträgt" ....". Soviel zum Strafgesetzbuch.
Jetzt das Thema Stolpern. Ich muß gestehen, ich falle nicht gerne auf die Fresse. Hinzu kommt – ich bin in keiner Partei – ich sehe auch nicht gerne, wenn jemand auf die Fresse fällt, und ich wünsche es keinem. Das war früher in Deutschland gemeinsame Überzeugung. Zu diesem Zwecke hat man Bürgersteige gebaut und deshalb gibt es Streu- und Räumpflicht für Grundstückseigentümer. Ich möchte nicht, dass jemand stolpert. Können Sie das verstehen?
Ich glaube auch nicht, dass irgendjemandem dadurch etwas Gutes getan wird, dass hier jemand stolpert. Das gilt auch für den Fall, dass dieser Person vor einem dreiviertel Jahrhundert schweres Leid und Unrecht oder gar Tod durch den von einer Partei auf demokratischem Wege okkupierten deutschen Staat erfahren hat.
Neues Leid mach altes Leid nicht besser! Zivilisation ist die Überwindung des Rachegedankens durch das Recht. Denn der Versuch, Leid und Unrecht durch Leid und Unrecht zu beseitigen ist nichts anderes, als Rache!
Die ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden selber, Frau Charlotte Knobloch, hat sich gegen die Stolpersteine ausgesprochen: „die es als „unerträglich“ bezeichnete, die Namen ermordeter Juden auf Tafeln zu lesen, die in den Boden eingelassen sind und worauf mit Füßen „herumgetreten“ werde“. Vor allem gilt für die jungen, hier in D. lebenden Israelis. Sie wollen nicht andauernd erinnert werden. Es sei denn, sie sind in jener Industrie beschäftigt.
Die Stolpersteine ausgedacht hat sich der Unternehmer in Sachen Kunst Günter Demnig. Das ist sein Recht! Man kann sich so was ausdenken. Herr Demnig hat sich dieses Recht, den Begriff Stolperstein schützen lassen. Auch das ist erlaubt. Jetzt ist Herr Demnig Monopolist in Sachen Stolperstein. Die ersten Stolpersteine hat Herr Demnig illegal verlegt. Das war nicht erlaubt, hat aber viel Presse gebracht. Dann hat Herr Demnig sich eine Lobby gesucht, Verbindungen zu Medien und Presse aktiviert und hat sich im sensiblen Bereich der Erinnerungs- und Warnerindustrie erfolgreich etabliert. Das ist erlaubt. Das machen viele.
Aber ist Stolpern eine positive Erinnerung? Besteht nicht die Gefahr, dass so mancher, der stolpert, denken wird: „Verdammter Jude!“?
Und jetzt kommen wir zu Brecht und seinen Webern von Kujan Bulak zurück. Die haben sich nämlich hingesetzt und überlegt: Wie können wir eine positive Erinnerungsmöglichkeit schaffen? Wie können wir, stattdessen, was alle anderen machten, nämlich eine gipserne Büste aufstellen, etwas tun, was uns, den Jetzt-Lebenden dieser Stadt, nützt, statt uns in Totenkult zu üben.
Dementsprechend sollten sich unsere Stadtvertreter fragen: Wie können wir eine positive Erinnerungsmöglichkeit an die mehr als hundertjährige Existenz der Juden in dieser Stadt schaffen? Denn dem Bürger stellt sich die Frage: Ist die 150-jährige Existenz dieser Religionsgemeinschaft wirklich in diesem einen singulären Ereignis zusammengefasst? Definiert gar etwa dies vermaledeite Ereignis jene Religion oder jenes Volk? Wir alle wissen, dass dem nicht so ist.
Und jetzt die Frage an den Industriellen in Sachen Holokaust Günter Demnig. Ist ein Stolperstein wirklich ein Beitrag zum Gedanken der Völkerverständigung, oder einer dagegen? Jeder weiß aus dem Alltag: Um den Streit von gestern wieder aufzunehmen bedarf es eines einzigen Wortes, eines Wortes nämlich, welches diesen Streit in Erinnerung ruft und schon ist er in aller Schärfe und Stärke wieder präsent. Darum gilt: Die Erinnerung an Gewalt ist Gewalt!
Wir können das niemandem vorschreiben, wie er seine alten Leiden weiterwachsen lässt, aber wir können uns zumindest denjenigen Verweigern, die ein schnödes Geschäft draus machen.
Wenn wir allein für diese Überlegung einmal davon ausgehen, dass das jüdische und das deutsche Volk zwei verschiedene Völker sind, dann sind die Stolpersteine jedenfalls kein Mittel durch welches sich diese Völker auf Augenhöhe begegnen können. Auf deutsch: Die Stolpersteine widersprechen dem Gedanken der Völkerverständigung und Herr Demnig gehört nach dem StGb. in den Knast.
Es kommt etwas anderes hinzu: Wer von uns war dabei? Ich speziell habe meine Vorfahren durchforstet, mit dem Hintergedanken einer Beteiligung an der Shoa, wobei ich mir nicht die Frage gestellt habe, inwieweit sie überhaupt reale Möglichkeiten zum aktiven Widerstand gehabt haben. Ergebnis: Oma 1 war Schuhverkäuferin. Opa eins war Offizier, starb 33 an Blinddarm. Oma zwei war Hausfrau, Opa zwei war Drogerieverkäufer, starb 2003. Sie haben keinen Juden aufgehängt und keinen verraten, ja sie hatten nicht einmal Kontakt zu Juden. Mutti war Jahrgang 37, Papa Jahrgang 32. Von Nichts und Niemandem lasse ich mir keine Schuldgefühle in den Kopf scheißen. Ich denke, dass es der übergroßen Mehrheit der Bürger dieser Stadt ebenso geht. Und falls jemand für seine Vorfahren nicht die Hand in’s Feuer legen will, allein aus zeitlichen Gründen wissen wir, dass zumindest er es nicht war.
Da gibt es auf offizieller Seite aber viele Leute, die – aber nur in den Medien - unison lauthals jammern, daß der Antisemitismus in D. wächst, obwohl zumindest in unserer Gegend gar keine Juden zu sehen sind.
Dazu stelle ich fest: Der Stolperstein ist von der Sache her ein Produkt eines ökonomisch gewitzten, psychologisch aber eher unbedarften, oder vielleicht doch eher bösen Menschen, eines solchen Menschen jedenfalls, der zwar verdeckt, aber bewusst gegen die Völkerverständigung, gegen die Verständigung des israelischen mit dem deutschen Volk arbeitet. Er ist ein Präzisionswerkzeug zur Steigerung des Antisemitismus im Lande. Es gibt verdeckte Kräfte, die daran arbeiten, und zwar erhebliche. Diese Kräfte allein wären nicht so stark, wenn sie auf Seiten derjenigen, die immer alles richtig machen wollen, nicht so viele Helfershelfer hätten. All diese Gutmenschen, oft mit christlichem Hintergrund, möchte ich an eine Auslassung des Gottes der Juden erinnern: „Die Väter haben saure Trauben gegessen, und den Kindern werden davon die Zähne stumpf“ So wahr ich lebe, spricht Gott der Herr, ihr sollt fortan diesen Spruch in Israel nicht mehr im Munde führen.“ Und wenn Israel diesen Spruch nicht mehr zitieren soll, um wie viel mehr gilt das erst für die Streiter des neuen Bundes.
Jedenfalls halte ich es nicht für Verständigung auf Augenhöhe, wenn man einen Dialog beginnt mit so einem Satze: Guten Tag, vermutlich haben Deine Großeltern dazu beigetragen, dass meine Großeltern vergast wurden, ....“ Dies gilt übrigens nicht nur im Verhältnis zum jüdischen Volk.
Nach jüdischer Auslegung steht an der Stelle, wo Luther in der Bibel übersetzt hat: „Und er schuf sie als Mann und als Frau“ die Aussage „Er schuf sie als Erinnernden und Durchbohrte.“ Wohin das führt, wenn man nicht vergessen kann und sich immer wieder erinnert, sieht man am besten in Gaza und Israel. Wenn wir dahin wollen, weltweit, ein Nachbar gegen den anderen aufgehetzt, dann müssen wir nur recht viele Stolpersteine verlegen. Der Friede ist nicht möglich als Erinnerungsdiktatur.
Natürlich werden diese Gedanken Gegner haben, zuallererst diejenigen, die direkt von der Erinnerungsunkultur profitieren, danach alle Säkularpastoren, Gutmenschen, alle, diejenigen, die sich herausnehmen von der Höhe ihrer Zeit herab über Räume und Menschen zu urteilen, ohne je selbst dort gewesen zu sein, noch einen Blick in die Mechanik des Bösen heute gewagt zu haben. Schon Johannes Groß hat seinerzeit in der FAZ festgestellt, dass der Widerstand gegen die Nazidiktatur mit dem Quadrat der zeitlichen Entfernung anwachse. "
Quaestor sum, quaerere quaerique possum ...