Credofragen

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Credofragen

Beitragvon Brakbekl » So 16. Sep 2012, 11:20

Hallo,

gestern las ich in einer Kirche ein in Deutsch an die Wand geschriebenes Credo. Mich gingen drei Fragen an.

1. Es stand dort "aufgefahren" und "niedergefahren" obwohl im Lateinischen ja von aufgestiegen und niedergestiegen die Rede ist. Ist das ein Redaktion der Lutherzeit, der Post-Napoleon Zeit, oder der Wilhelm II-Zeit?

2. Es stand dort "gen Himmel" Vermute ich in dem gen ein abgeschliffenes "gegen" richtig? Intervokalischer Guttural fällt aus - würde der Philologe in mir vermuten.

3. Das stand ebenfalls "zur Rechten Gottes". Da die Institution des Credo ja wohl spätkaiserzeitlich ist, stellt sich mir die Frage, ob es eine jüdische, Griechische oder lat. Tradition gab, rechts - und nicht Links - von jemandem zu sitzen. Ev. bedeutet es "die rechte Hand von jemandem sein", oder? Die Symbolik rechts-links ist ja sehr tiefgründig und sehr alt, ich erinnere nur an die Ung. Sprache wo der Begriff Rechts auch besser bedeutet.

Gedankt sei dem, der hierzu Weiterführendes beitragen kann.
Zuletzt geändert von Brakbekl am So 16. Sep 2012, 20:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Credofragen

Beitragvon romane » So 16. Sep 2012, 11:37

Die Freiheit ist ein seltsames Wesen - wenn man es gefangen hat, ist es verschwunden

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Re: Credofragen

Beitragvon Brakbekl » So 16. Sep 2012, 12:02

hm, Romane

außer
Es lassen sich jedoch auch in anderen Kulturen Parallelen finden. So bedeutet etwa das lateinische Wort "sinister" sowohl "links" als auch "dunkel, finster".
läßt sich nicht viel Weitertragendes finden und

führt eher zu dubiosen Quellen .... Naja, es gibt wohl über die linke, dunkle Seite, keine Quellen, weil's ja dunkel ist . :lol:
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Re: Credofragen

Beitragvon romane » So 16. Sep 2012, 12:36

Die Freiheit ist ein seltsames Wesen - wenn man es gefangen hat, ist es verschwunden

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Re: Credofragen

Beitragvon Brakbekl » So 16. Sep 2012, 13:01

Danke, Romane, werd mir mal besorgen das Würth'sche Werk, obwohl es nicht unbillig ist. Hoffentlich geht er auch auf den rechten Platz ein.
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Re: Credofragen

Beitragvon Laptop » So 16. Sep 2012, 13:32

1. fahren und steigen ist beides möglich. In manchen Wendungen, wie ‘fahr zur Hölle!’, ist ‘fahren’ noch gebräuchlich, in anderen, wie ‘und er ist aufgestiegen ... in den Himmel’ ist ‘steigen’ heute gebräuchlicher.

2. ‘gen’ zusammengezogen aus ‘gegen’, richtig.

3. Die Bewertung von ‘links’ und ‘rechts’ ist ganz alt, die Allegorie des ‘pythagoräischen Buchstabens’ gab es schon bei den Griechen. Gemeint ist damit der Buchstabe ‘Y’, der – in dieser Allegorie – eine Wegegabelung symbolisiert, wer vom rechten Pfad abkommt, nimmt den falschen Abzweig. Vgl. auch ‘recht so, richtig’.
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Re: Credofragen

Beitragvon Brakbekl » So 16. Sep 2012, 13:43

Laptop hat geschrieben:1. fahren und steigen ist beides möglich. In manchen Wendungen, wie ‘fahr zur Hölle!’, ist ‘fahren’ noch gebräuchlich, in anderen, wie ‘und er ist aufgestiegen ... in den Himmel’ ist ‘steigen’ heute gebräuchlicher....


wohl unter Rückbesinnung auf den lat. Text.

Naja, fahren setzt ja ein Gefährt voraus. Bis heute aber spricht man von Himmelfahrt, nicht vom Himmelstieg. Ich erinnere hier an die jüd. Merkbar-Mystik, aufbauend auf die Vision des Hesekiel.

Woher das Fahren kommt, aus welcher Zeit, bzw. seit wann es im dt. Credo, weißt Du wohl nicht?
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Re: Credofragen

Beitragvon Tiberis » So 16. Sep 2012, 23:52

brakbekl hat geschrieben:Naja, fahren setzt ja ein Gefährt voraus

heißt das dann, dass wallfahrer grundsätzlich mit einem fahrzeug unterwegs sind? :lol:
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Re: Credofragen

Beitragvon Laptop » Mo 17. Sep 2012, 01:40

@Brakbekl ‘fahren’ setzt im ursprünglichen Sinne kein Fahrzeug voraus, denke an ‘Mit der Hand auf dem Tische hin und her fahren.’ Und ich meine auch daß â€˜fahrendes Volk’ nicht notwendigerweise mit einem Gefährt hin und herreisen mußte, sondern durchaus auch per pedes den Ort wechseln konnte.
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Re: Credofragen

Beitragvon Brakbekl » Mo 17. Sep 2012, 07:54

@Romane

zu der im WP artikel zitierten Trennung der Arbeitsbereiche für linke und rechte Hand. In meiner Kindheit gab's im Dorfe nur Holzlatrinen, sog. Scheißhäuser. Ich kann mich noch genau an die Unterrichtung erinnern, als meine Mutter mir beibrachte, daß die Reinigung nach dem Stuhlgang mit links zu erfolgen habe. Eine schlüssige Begründung ist sie mir aber schuldig geblieben, denn auf eine Nachfrage kam: Das machen alle so! Ich weiß also nicht, warum die Autoren in Sache linker Hand erst nach Arabien und Indien mußten?
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Re: Credofragen

Beitragvon Zythophilus » Mo 17. Sep 2012, 09:19

Da das Credo eine Übersetzung aus dem Lateinischen ist, kann man ganz leicht sagen, dass hier die Vorstellung eines Fahrzeuges nicht zwingend ist, da das Verb ascendit verwendet wird. Religiöse Sprache ist eben sehr konservativ, sodass ein solcher Ausdruck wie "aufgefahren" nicht geändert wird, obwohl er rein von der modernen Verwendung des Wortes "fahren" missverständlich geworden ist.
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Re: Credofragen

Beitragvon Brakbekl » Mo 17. Sep 2012, 10:18

Zythophilus hat geschrieben:Da das Credo eine Übersetzung aus dem Lateinischen ist, kann man ganz leicht sagen, dass hier die Vorstellung eines Fahrzeuges nicht zwingend ist, da das Verb ascendit verwendet wird. Religiöse Sprache ist eben sehr konservativ, sodass ein solcher Ausdruck wie "aufgefahren" nicht geändert wird, obwohl er rein von der modernen Verwendung des Wortes "fahren" missverständlich geworden ist.



War fahren denn nicht immer mit Fahrzeug notiert? Nein, denn Fährnis, Wallfahrt, Gefahr, Erfahrung, Fahrzeug und so belegen wohl, daß es nur ein Bewegen in die Ferne meinte, ein sich entfernen, wobei die Art der Bewegung frei blieb - könnte man denken. Bei Wallfahrt allerdings drückt das wallen, nämlich eine Art zu Fuß sich bewegen, die Art der Fortbewegung aus. Auch die Fähre und spricht dagegen, ist sie doch eine Gerät zum Fortbewegen.
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Re: Credofragen

Beitragvon Laptop » Di 18. Sep 2012, 00:23

Es ist zwar vom Thread völlig abwegig aber: mit links wischt man sich den Arsch ab, weil man mit Rechts die Hand gibt und ißt. Nicht immer hatte man früher die Gelegenheit sich die Hände nach dem Stuhlgang zu waschen, daher ist so eine Sitte, der man blindlinks (!) folgt, keinesfalls unsinnig.
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Re: fahren

Beitragvon Prudentius » Mi 19. Sep 2012, 08:15

Fahren hat als transitivum/causativum führen neben sich, wie sitzen/setzen, man kann vielleicht Schlüsse daraus ziehen: führen geht auch ohne Fahrzeug.
Wenn wir etymologisieren: per, peri-tus, periculum, porta, portus, portare; gr. poros Durchgang (Pore!), poreuomai unterwegs sein, Aporia Verlegenheit, in den Dialogen Platons: "kein Durchkommen". peirasthai versuchen, Empirie Erfahrung.

Also Bedeutung von "fahren": Bewegung von A nach B, aber nicht wie auf dem Reißbrett, sondern mit Risiko (Unkalkulierbarkeit), eben wie im wirklichen Leben.
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