von Zythophilus » Mo 3. Sep 2012, 12:17
Eines der Probleme ist, dass in unseren Köpfen normalerweise ein Idealbild vorhanden ist, wie Religion sein soll, vor allem friedlich und tolerant. Da dieses Ideal für praktisch keine Religion immer und überall gegeben ist, müssen wir mit irgendwie den Abweichungen umgehen: Wir können befinden, dass es sich, weil diese Religion unserem Ideal widerspricht, nicht um eine Religion handelt, und sie als "Sekte" qualifizieren. Wir können andererseits diese Abweichungen als eigentlich nicht zu dieser Religion gehörig bewerten; dann sind manche Praktiken eben nur äußere Einflüsse, die nicht zum Wesen dieser Religion gehören.
Was dabei übersehen wird, ist, dass Religionen nie absolut existieren. Einflüsse der Zeit und Umwelt gibt es immer, und selbst wenn so manches als religiöse Vorschrift gilt, was ursprünglich gar nicht zum Glaubensgut gehörte, so kann man nicht einfach von außen urteilen, was dazu gehören soll. Das Kopftuch mag nicht im Koran erwähnt sein, doch als Christ maße ich mir nicht an, das als "unislamisch" zu bewerten. Es ist ein bisschen naiv, eine andere Religion nur nach tatsächlichen oder behaupteten positiven Eigenschaften zu beurteilen und die für ihre Mitglieder oder andere negativen Aspekte als eigentlich nicht zu dieser Religion gehörig wegzuwischen. So manches, was wir als ungerecht oder gar inhuman empfinden, kann m.E. durchaus innerhalb des Systems einer Relgion sinnvoll sein. Menschenopfer lehnen wir zurecht ab, aber sie waren durchaus akzeptiert.