Orthographie

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Orthographie

Beitragvon guenterus » Do 16. Aug 2012, 21:18

Salvete amici!
In der Rechtschreibung des Altdeutschen ( z.B. im Georges ) im Verhältnis zum Jetzt, gibt es ja
nun erhebliche - teils lustige - Unterschiede! Kann man diese Wandlungen auch im Lateinischen
beobachten, oder sind Sie nicht relevant? Wenn ja, vielleicht einige Beispiele, bitte!
Gratias in antecessum!
Günter
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Re: Orthographie

Beitragvon SursumDeorsum » Do 16. Aug 2012, 22:04

Ein schönes Beispiel findet man in den sogenannten 'alten' Wörtern, wie z.B. Karthago, Kaeso (Vorname) Kalendae, oder der Brandmarkung K für kalumniator. Zum Beispiel Karthago: Livius schreibt konsequent Carthago / Carthagenienses, bei Cicero lesen wir beide Wörter mit k geschrieben.

Ebenso findet man die unterschiedlichsten Schreibweisen in Inschriften oder Graffiti, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass der Schreiberling das Wort teilweise so geschrieben hat, wie er es in seiner Umgangssprache gesprochen hatte - das Latein, das uns in den Schriften überliefert ist, ist ja nicht repräsentativ.
Pangere non potuit nisi potus scurra Cratinus;
sunt mihi fata eadem: Pierides madeant!


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Iuppiter est, quodcumque vides, quodcumque moveris.
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Casibus ancipites: me non oracula certum,
Sed mors certa facit. Pavido fortique cadendum est:
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Re: Orthographie

Beitragvon RM » Sa 18. Aug 2012, 15:46

Das K taucht in antiken lateinischen Inschriften gar nicht so selten auf, wie man meinen möchte.
Insgesamt beweist das Lateinische aber eine erstaunliche Stabilität in Bezug auf die Orthographie. Im Mittelalter gibt es aber einige Varianten, derer man sich bewusst sein muss, so z.B.:
ae und oe wurden wie ein langes e gesprochen und oft auch so geschrieben (z. B. "rose" statt "rosae"), weshalb ein langes e haeufig als ae oder oe geschrieben wurde (z. B. "caena" oder "coena" statt "cena", "coelum" statt "caelum"). ae und oe wurden oft als Ligatur geschrieben und sind deshalb nicht immer gut zu unterscheiden.
i und y wurden beide als i gesprochen. Daher findet man häufig Wörter (besonders die selteneren oder welche, von denen man dachte, sie kämen aus dem Griechischen), die eigentlich mit i geschrieben werden sollten, mit y (z. B. "tempore hyemali" statt "tempore hiemali").
ti wurde schon im frühen Mittelalter als c bzw. z gesprochen. Daher wurden Wörter wie "natio" statt mit ti oft mit c geschrieben, also "nacio".
ph wurde ab der Spätantike als f gesprochen und auch oft so geschrieben.

Das könnte man noch erweitern, aber die hauptsächlichen Varianten findet man in mittelalterlichen Manuskripten, weil damals nur wenige ihr Latein an den antiken Schriften schulen konnten.

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Re: Orthographie

Beitragvon Zythophilus » Sa 18. Aug 2012, 19:07

An Inschriften sind auffällige orthographische Varianten, sofern es sich nicht um tatsächliche Fehler handelt, leichter festzumachen als an literarisch überlieferten Texten. Wie saht denn das Original eines Autors wirklich aus? Verwendete er, wenn es zwei unterschiedliche Schreibungen gab, die aber gleich klangen, immer nur eine? Wie sah der Text aus, wenn er ihn jemanden diktierte?
Dann kommt die Überlieferung: Weitere Abschreiber lassen oft, sei es bewusst oder unbewusst, ihre Präferenzen einfließen, auch wenn sie die Vorlage vor Augen haben, lesen sie ihn sich normalerweise vor.
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Re: Orthographie

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 18. Aug 2012, 19:14

In der Epoche selbst wären Abschreibfehler aufgefallen. Aber durch die Verluste in der Spätantike von klassischer Literatur gab es ein Loch...die Abschreiber waren hauptsächlich Mönche...und vieles wurde erst später wieder entdeckt: Petrarca z.B. die Ciceronischen Briefe...
Richtig interessant sind doch die Papyrusrollen aus Herculaneum.
http://de.wikipedia.org/wiki/Villa_dei_Papiri
Ich glaube, vieles hätten wir von der griechischen und lateinischen Bibliothek des Trajansforums profitiert. Das ist auch das Dilemma der klassischen Philologie: Sie beschränken sich auf das Rudimentäre... :(
Zuletzt geändert von Medicus domesticus am Sa 18. Aug 2012, 20:02, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Orthographie

Beitragvon guenterus » Sa 18. Aug 2012, 19:52

Wirklich Spannend! Vielleicht gibt ja doch noch unentdeckte römische Bibliotheken - wer weiß ?
G.
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Re: Orthographie

Beitragvon RM » Sa 18. Aug 2012, 19:56

guenterus hat geschrieben:Wirklich Spannend! Vielleicht gibt ja doch noch unentdeckte römische Bibliotheken - wer weiß ?
G.

In Pompeji ist noch nicht alles ausgegraben.

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Re: Orthographie

Beitragvon Zythophilus » Sa 18. Aug 2012, 21:02

Abschreibfehler wären wohl aufgefallen. Ist es aber ein Fehler, eine andere Variante zu nehmen? Ob adficit oder afficit steht, ist ja letztlich kaum ein Unterschied, auch die nicht assimilisierte Form wird nicht anders ausgesprochen.
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Re: Orthographie

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 18. Aug 2012, 21:22

Natürlich, aber:
Meine Meinung ist, dass die klassische Philologie, auch wenn ich sie schätze, erkennen muß, dass sie sich nur auf einer geringen Quellenlage bewegt....und da sind die statistischen Fehler groß.
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Re: Orthographie

Beitragvon RM » Sa 18. Aug 2012, 21:32

Zythophilus hat geschrieben:..., auch die nicht assimilisierte Form wird nicht anders ausgesprochen.

Da bin ich mir nicht sicher.

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Re: Orthographie

Beitragvon Oedipus » Sa 18. Aug 2012, 23:32

Die Villa dei Papyri hat ja u.a. auch sehr fragmentierte Lukrez-Verse hervorgebracht.

Diese Buchrollen zeigen also eine zeitgenössische Abschrift von Lukrez.

Interessant dabei ist, dass die Untersuchungen von Kleve und Suerbaum zeigen,
dass neben zahlreicher zuzuweisender Verse mindestens 3 Verse(-fragmente) dabei sind, die wir aus der sonstigen Überlieferung nicht kennen.

Sehr spannend zu lesen: http://www.uni-koeln.de/phil-fak/ifa/zp ... 104001.pdf

Interpolation schon wenige Jahrzehnte nach Veröffentlichung?
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Re: Orthographie

Beitragvon Medicus domesticus » So 19. Aug 2012, 10:49

Hallo Oedipus,
Ich finde das auch faszinierend, weil es eine Bibliothek aus der Antike darstellt und die Texte dadurch viel authentischer sind. Ich habe mal eine sehr gute Doku darüber gesehen, die auf veoh.com noch anzuschauen ist. Wen es interessiert:
http://www.veoh.com/watch/v18460269rmanEhS7
:-D
Das wär doch was für eine kleine Zeitreise:
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Re: Orthographie

Beitragvon Zythophilus » So 19. Aug 2012, 14:50

Die Fragmente aus Pompeii sind natürlich wichtig, aber mit dem, was vorhanden ist, können bestenfalls Details geklärt werden. Ein kompletter Ennius ist leider nicht zu erwarten.
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