Für Grammatiker ein Luxus-Problem (?)

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Für Grammatiker ein Luxus-Problem (?)

Beitragvon Willimox » Do 9. Aug 2012, 13:07

Salvete, sodales.

Wie hält es der Grammatiklehrer mit solchen Entitäten wie "Adverbiale" und "Präpositionalobjekt"?

Ist das eher ein Spezialfall für die Universität und ihre Valenztheoretiker
jenseits und diesseits pragmatisch orientierten Unterrichts am Gymnasium?

Als Anregung hier ein Gymnasium-Paper ;-) :
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Für Spezialisten

Bei „Adverbiale" und „Objekt“ taucht in manchen Grammatiken eine Schwierigkeit auf:
Sie kennen nicht nur „reine Objekte“: Das Haus gehört mir.
Sie kennen auch „ Präpositionalobjekte“: Ich gehe spazieren, mit dir spazieren.

Was steckt dahinter? Eine Besonderheit der Wortart „Verb“.

o Das Verb „geben“ etwa braucht drei weitere Satzteile, wenn man es sinnvoll verwenden will. Wir wollen wissen, wer (a) wem (b) was (c) gibt. Ein anderes Beispiel: Das Verb „nachdenken“ hat zwei Ergänzungen, die wir im Satz als gefüllt erwarten: Jemand (a) denkt über etwas (b) nach. Eine Präposition mit einem Nomen. Fest verankert im Verbplan. Ein Präpositionalobjekt.

o Dass jemand gibt oder nachdenkt und dies etwa in der Küche macht oder anderswo, ist durchaus möglich. Aber offensichtlich ist das im Stellenplan des Verbs nicht gerade fest verankert. Daher ist „in der Küche“ - eingebaut in einem geben- oder in einem nachdenken-Frame wohl keine Ergänzung, kein Präpositionalobjekt, sondern ein Adverbiale (eine freie Angabe).

Sehr viele Grammatiklehrer halten diese Unterscheidungen für recht schwierig oder für nicht machbar oder für irrelevant. Sie suchen zwei Auswege zur Vereinfachung:

a) Sie nennen alle Präpositionalausdrücke in Verbnähe „Adverbialien“.

b) Sie nennen alle Präpositionalausdrücke in Verbnähe „Präpositionalobjekte“.

Wir wollen uns hier an das Rezept (a) halten, aber auch die komplizierte Unterscheidung nicht aus den Augen verlieren....... hier eine Schultafel:

Bild

http://www.allgemeinbildung.ch/arb/arb=deu/w_Tafelbilder_Satzglieder.htm

Aufgaben, ne, Anregungen:

• Das Tafelbild kennzeichnet recht verdeckt Attribute. Zwei lassen sich finden. Welche sind es?
• Wie lässt sich „schwanger“ (Satz 2: Ein Pferd wird im Herbst schwanger) klassifizieren? Als
Adverbiale? Als etwas anderes?
• Satz 3 heißt: Tanzen Ameisen am Morgen unter dem Tisch?
Erweitere das Subjekt in Satz 3 durch ein sinnvolles Adjektivattribut.
• Erweitere das lokale Adverbiale des dritten Satzes durch ein Genitivattribut.
• Für Spezalisten ein Luxusproblem: Wie würden Sie als moderner Grammatiker „in Zürich“ (Satz 1)
klassifizieren? Als Adverbiale? Als Präpositionalobjekt?

Und für die lateinorientierten Didaktikliebhaber:

Ist die Unterscheidung Präpositionalobjekt vs Adverbiale in irgendeiner Weise relevant für die Her- oder Hinübersetzung (Version) Latein?

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Valete

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Re: Für Grammatiker ein Luxus-Problem (?)

Beitragvon RM » Do 9. Aug 2012, 19:51

Das einzig sinnvolle Attribut zu den "Ameisen" aus Satz 3 ist "betrunkene" - nüchterne Ameisen verhalten sich nämlich vernünftiger.
So, und was wäre jetzt noch einmal das genaue Problem? Von "Präpositionalobjekten" würde ich nur reden, wenn das Verb immer eine bestimmte (evtl. sogar die Bedeutung ändernde) Präposition im Schlepptau hat, mit der zusammen es immer auftritt, z.B. "sich freuen auf" / "sich freuen über" - dasselbe Verb bekommt durch die Präposition unterschiedliche Bedeutungsrichtungen.

Alles klar?

8) RM
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Re: Präpositionalobjekt

Beitragvon Prudentius » Fr 10. Aug 2012, 10:47

Hallo Grammatikfans,

wir Lateiner können den Begriff nicht gebrauchen, der stammt aus den modernen Sprachen, denn im Italienischen, Französischen, wohl auch Englischen wird das Genitiv- und das Dativobjekt grundsätzlich durch einen Präpositionalausdruck bezeichnet, da ist ja der Terminus richtig.

Wir können uns leicht behelfen bei Ausdrücken wie "in Zürich wohnen", "über etwas nachdenken", "sich auf etwas freuen"; wir sagen einfach: der Präpositionalausdruck kann in engem oder weniger engem Verhältnis zum Verb stehen, wir können auch einen Begriff erschaffen wie "Kernbereich des Verbs", bei dem wir mit innen und außen beliebig hantieren können.
Wenn wir die zwei Sätze vergleichen:

- "Der Gegenstand ist in liegender Position" und
- "Der Gegenstand liegt",

dann sehen wir, dass sie gleichwertig sind.

"Bin mal eben weg", was ist hier das Prädikat? Es besteht neben der Kopuls aus drei Adverbien, das ist in Ordnung, ich aktualisiere es gleich, und grüße euch alle

P. :-D
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Re: das schwangere Pferd

Beitragvon Prudentius » Sa 11. Aug 2012, 10:34

• Wie lässt sich „schwanger“ (Satz 2: Ein Pferd wird im Herbst schwanger) klassifizieren? Als
Adverbiale? Als etwas anderes?


Als Prädikatsnomen; wird ist Kopula, es steht in der Mitte zwischen ist und wird sein.
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Re: Das Tafelbild - Satzzertrümmerung

Beitragvon Prudentius » Sa 11. Aug 2012, 16:39

Das gibt kein vollständiges Bild, das ist nur die Analyse, danach muss die Synthese kommen: Der Satz ist ja ein dynamisches Gebilde, ein Kraftfeld von Bindungen und Trennungen; die Bindungen sind Kongruenz und Kasusrektion.

"Ich / wohne / in Zürich",

Das Prädikat "wohnen" verlangt nach einem Subjekt, es wird das Pronomen der 1. Person eingesetzt, das Prädikat drückt diesem zum Zeichen des Subjekts den Nominativ auf: "ich". Also geht ein Pfeil von "wohne" zu "ich".

Das Subjekt "ich" tritt seinerseits aktiv in die Wortkombination ein, indem es durch NP-Kongruenz aus der Formenskala von Wohnen die erste P. Sing. hervorhebt: "wohne". Also geht ein Pfeil von "ich" zu "wohne".

Von "in" geht ein Pfeil zu "Zürich", Kasusrektion der Präposition, Dativ.

Vom S-P-Satzkern geht ein Pfeil zum Präpositionalausdruck, wobei man diesen entweder eng an das Verb binden oder als Zusatz zum Satzkern verstehen kann.
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