"Politisch-korrekte" Sprache

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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Zythophilus » Fr 23. Okt 2009, 20:41

Der Satz "Jeder Deutsche ist wahlberechtigt." zeigt sehr schön, dass Gleichberechtigung nicht unbedingt einer Änderung der Sprache bedarf. Vor vielen Jahrzehnten waren bei dieser Aussage die Frauen tatsächlich ausgeschlossen, nun vermutet wohl keiner, dass diese Aussage nur auf Männer abzielt, es ist höchstens eine Reminiszenz des historisch Gebildeten, dass es einmal so war, aber nicht mehr so ist.
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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Apollonios » Fr 23. Okt 2009, 20:44

RM hat geschrieben:
Apollonios hat geschrieben:"Jeder Deutsche ist mit achtzehn Jahren wahlberechtigt." Ja, ich fühle mich mitgemeint, ...

Es ist noch gar nicht so lange her, daß damit nur männliche Bürger gemeint waren. Das sollten wir nicht vergessen.

Nu gugge mal - da wird mir noch eben schnell untergejubelt, daß ich das nicht weiß... nur weil ich freventlich nicht bei allem, was ich sage, dazu sage: Das gilt jetzt gerade genau für die Zeit, um die es in diesem Gespräch geht, und ist genau meine Meinung dazu.
Nebenbei: Wer das Mittelalter als Chiffre für alles Böse benutzt, sollte vorher ganz genau klären, von wann bis wann das Mittelalter ging, welchen Zeitraum des Mittelalters und welche Weltgegend genau er meint - und ob er Guelfen oder Ghibellinen bevorzugt. Ohne Klarheit über das, worüber man redet, ist keine Diskussion möglich.
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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Domingo » Fr 23. Okt 2009, 20:50

Merkur hat geschrieben:Im Englischen:
Indefinitpronomen werden mit Maskulina fortgesetzt.
"Somebody lost his pencil.", bei "one" dasselbe.


Stimmt nicht. Heutzutage wird oft she/her benutzt. Alt ist die Fortsetzung durch den Plural "somebody lost their pencil". ZB auf Twitter.com: "this person has protected THEIR tweets".


Probleme eher, sagen wir, semantischer gibt es genauso wie im Deutschen auch. (Wenn z.B. allgmeine Aussagen auftauchen wie folgt: "Der normale Arbeiter geht nach der Arbeit nicht nach Hause zu seiner Frau, sondern in die Kneipe.").


Das hat doch mit der Sprache nichts zu tun.
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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Merkur » Fr 23. Okt 2009, 23:51

Domingo hat geschrieben:Stimmt nicht. Heutzutage wird oft she/her benutzt. Alt ist die Fortsetzung durch den Plural "somebody lost their pencil". ZB auf Twitter.com: "this person has protected THEIR tweets".


Na da schau mal einer an ... wieso nur .... :roll:
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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Merkur » Sa 24. Okt 2009, 00:12

Domingo hat geschrieben:
Probleme eher, sagen wir, semantischer gibt es genauso wie im Deutschen auch. (Wenn z.B. allgmeine Aussagen auftauchen wie folgt: "Der normale Arbeiter geht nach der Arbeit nicht nach Hause zu seiner Frau, sondern in die Kneipe.").


Das hat doch mit der Sprache nichts zu tun.


Deswegen "semantischer" Art.
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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Laptop » Sa 24. Okt 2009, 00:57

RM hat geschrieben:Was das Binnen-I betrifft, so wurde es, so weit ich mich erinnere, eingeführt, um nicht dauernd "Studentinnen und Studenten" oder "Bürgerinnen und Bürger" schreiben zu müssen - nichts anderes.


So ist es. Es ist nur eine graphische Codierung, die entsprechend "decodiert" ausgesprochen werden muß. Übrigens interessiert mich deine "Streichliste", kannst du daraus ein paar Beispiele nennen?
SI·CICERONEM·ÆMVLARIS·VERE·NON·VIVAS (get a life!) OBITER·DICTVM·BREVITAS·DELECTAT (keep it short and simple = kiss)
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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Merkur » Sa 24. Okt 2009, 08:40

Die Aussprache des Binnen-I ist überraschend einfach und nicht vollends unästhetisch, sie geschieht am besten durch Verzicht auf "Liaison" bzw. durch "glottal stop" (oder zumindest etwas Ähnliches).

also ArbeiterInnen ['A:baite<?>'innen]

Gruß
M.
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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Zythophilus » Sa 24. Okt 2009, 09:47

Nichtsdestoweniger ist sie künstlich und - wie das Phänomen selber - von oben verordnet.
Wenn die Sprachpolizei verordnet, dass das diskrimierende Wort "Mannschaft" zu meiden ist, werden sich auch etliche finden, die "Frau- und Mannschaft" als ästhetisch empfinden. Bei einer reinen Damenmannschaft natürlich "Frauschaft".

Interessant ist, dass das Englische selbst im Singular ohne Probleme oder Proteste die männlichen Nomina agentis als Berufsbezeichnungen fast durchwegs verwendet und gar keine femininen Formen kennt, sodass es niemanden mehr auffällt, dass "fisher" etc. analog zum deutschen "Fischer" wohl ursprünglich eine maskuline Form sein muss.
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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Domingo » Sa 24. Okt 2009, 09:51

Merkur hat geschrieben:
Domingo hat geschrieben:Stimmt nicht. Heutzutage wird oft she/her benutzt. Alt ist die Fortsetzung durch den Plural "somebody lost their pencil". ZB auf Twitter.com: "this person has protected THEIR tweets".


Na da schau mal einer an ... wieso nur .... :roll:


Was soll uns dieser Satz jetzt sagen?
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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Zythophilus » Sa 24. Okt 2009, 09:53

Auch das österr. Bundesheer musste weibliche Bezeichnungen für die versch. Dienstränge schaffen, als Frauen aufgenommen wurden. Bei den meisten Titeln kein Problem, doch dem niedrigsten Rang, dem Wehrmann, wollte man partout keine Wehrfrau zugesellen, sodass man generell in "Rekrutin" und "Rekrut" änderte.
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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Merkur » Sa 24. Okt 2009, 12:45

Domingo hat geschrieben:Was soll uns dieser Satz jetzt sagen?



Naja ... der Wechsel vom (einst eigentlich "normalen" Sprachgebrauch) Maskulinum zum (noch nicht wirklich "normalen" Sprachgebrauch) "their" (ich bezweifle, dass du außerhalb von feministischer Literatur verallgemeinerndes "she" finden wirst) kam ja auch nicht einfach so ...

Er ist Ergebnis feministischer Sprachkritik.


Interessant ist, dass das Englische selbst im Singular ohne Probleme oder Proteste die männlichen Nomina agentis als Berufsbezeichnungen fast durchwegs verwendet und gar keine femininen Formen kennt, sodass es niemanden mehr auffällt, dass "fisher" etc. analog zum deutschen "Fischer" wohl ursprünglich eine maskuline Form sein muss.


Ist Englisch Sprechenden die Etymologie tatsächlich bewusst? Du denkst sehr vom dt. Standpunkt aus.

Natürlich ist im engl. "teacher" auch eher maskulin konnotiert. Das hat aber eher soziale Gründe als sprachliche.
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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Clemens » Sa 24. Okt 2009, 13:30

Mir kommen da leichte Zweifel auf, wie viel du dich mit Englisch beschäftigst...
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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Merkur » Sa 24. Okt 2009, 13:41

wieso?
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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Domingo » Sa 24. Okt 2009, 13:56

Z.B. weil das "their" doch recht alt ist und weil "she" auch bei Autoren vorkommt, die nicht über feministische Angelegenheiten schreiben (wie Dawkins, The God delusion - "when a child grows up she will decide for herself" o.ä.).
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Re: "Politisch-korrekte" Sprache

Beitragvon Pyrrha » Sa 24. Okt 2009, 14:05

Als ich in den USA fragte, ob es denn parallel zum freshman auch eine freshwoman gäbe - in Deutschland sei eine rein maskuline Bezeichnung ohne weibliche Nebenform inzwischen undenkbar -, haben sie mich nur entgeistert angeschaut.
Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen?
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