Trunk und Sesshaftigkeit
Mir scheinen in diesem Zusammenhang, nach Lektüre der ernsthaft-launigen Kommentare von Apoll, Zytho und Consus, einige weitere
Konjunktionen von Sesshaftigkeit und Alkohol recht bedenkenswert.
Möge RM das gewisse Abgleiten in komische UntÃefen nicht übelnehmen.
Mythische Konfigurationen
Der Volksmund etwa weiß: Der Teufel hat den Schnaps gemacht und auch das Ding mit der Schlange im Paradies geht auf sein Konto. Also gibt es einen mythischen Background für die Sesshaftigk- und Trunkenheit: Einerseits eine archaische Erinnerung an das sesshafte, arbeitsferne Leben im Paradies. Andererseits das arbeitsreiche, sesshafte Leben als schrecklicher Preis für die superbia des Geschöpfes, das so werden will wie der Schöpfer. Und daher weiß das Geschöpf die arbeitsfreie Zeit zu feiern, mit göttlichem Nektar. Und zum dritten die Ambivalenz des alkoholischen Getränkes - es vermag das Bewusstsein zu erweitern, es vermag, das Bewusstsein zu verengen. Es vermag den Menschen zum Gott fern von aller Arbeit zu machen, aber auch zum Tier, das auf allen Vieren kriecht. Diabolisch-divin, nicht nur der Gin.
Crapulogie
Mit der alkoholbedingten Bodenhaftung kommen wir zu einem der wichtigeren Aspekte in der Aufhellung der trunkverknüpften Sesshaftigkeit, es geht um den
Kater. Der Crapuloge forscht in diesem Bereich, er untersucht das entsprechende Leidensbild: Vertigo, Nausea und pulsierende Cephalgie, wie der Mediziner Schwindel, Übelkeit und Schädelweh bezeichnet.
Verstorbene Größen wären gewiss sehr viel früher gestorben, hätten sie ihren Kater nicht - geschützt an geeigneter fester Stätte - ausschlafen können. Sir Winston konnte unglaubliche Mengen an Cognac (Fuselanteil: 0,24 Prozent) katerarm verzechen, lag aber nach Genuß von Wodka (Begleitstoffanteil: 0,01 Prozent) stets schwer darnieder. Die Königinmutter andererseits trank ihren Gin (Fuselanteil: 0,04 Prozent) groß, pur und folgenlos, migränierte jedoch auf Wein (Fuselanteil ebenfalls nur 0,04 Prozent). Margarete, Regentin der Dänen, schließlich vertrug Cognac in churchillesken Mengen; nach dem Konsum von Whisky jedoch (Begleitstoffanteil: 0,16 Prozent) empfand sie sich als
caduca .
Regenten sind Garanten für Kontinuität und sind Identifikationsfiguren, alles notwendige Voraussetzungen für das Blühen sesshafter Gesellschaften. (Man vergleiche dazu die Ausführungen von Henry Glass.)
Fülle des Lexikons
Für die Wichtigkeit des Katers im Zusammenhang mit Sesshaftigkeit und Zivilisation spricht gewiss auch der Reichtum an Bezeichnungen, mit denen Völker und ihre kulturell wichtigen Instanzen das Phänomen zu erfassen suchen. Und zwar jeweils in ihrem tribalen Bezirk, also oft unter Abgrenzung von fremden Gemeinschaften. Andererseits kann die
lingua Franca Latein universal das Phänomen angehen.
Ein Beispiel hoch elaborierter Katerbeschreibung findet sich bei Zythophilus, er trinkt offensichtlich kaum Wein, also erst recht keine Plörre von Typ Château Gicht. Gewiss aber liegt dem folgenden Zweizeiler Alkoholkonsum zugrunde, respektive voraus. Und auch eine bemerkenswerte Zuversicht. Das lyrische Ich zweifelt nicht oder kaum, jedenfalls nur bedingt, an der Identität von Ort (Heimstatt), korrekter Funktion des technischen Hilfsmittels (Spiegel) und Identität der Person. die ihn da aus dem Spiegel anblickt. Auf jeden Fall aber ist zu konstatieren: Resistenz des lyrischen Subjektes in und wegen der vorgefundenen Residenz. Auch wird hier die oft geäußerte These begreifbar, ein literarisches
argumentum ad oculos, dass nur Dichter sein kann und somit kulturell wirksam, wer das Leid kennt, in welchen Schattierungen auch immer.
Zythophilus hat geschrieben:- Code: Alles auswählen
Mane uidens speculum miror: "Pol, cuius imago?"
Quamquam nescio eum, tum tamen ora lauo.
In Frankreich heißt der Kater "gueule de bois" (hölzernes Maul) , in Spanien und Italien ist man anfällig für "resaca" (Meeresbrandung) respektive "stonato"-Sein. Die Ikea-Leute sprechen von "baksmälla" (Rückschlag), die Norweger von "Zimmermännern" (jeg har tømmermenn) im Haupte. Bayern kennen keinen "Kater" (preußisch), sie haben einen "Suri". Die Österreicher übrigens auch.
Remeduren gegen Suri
Kulturell interessant die von Experten angebotenen Remedia, gewiss nur in einer intakten Zivilisation zu finden: z.B. eine Prise N-Acethylcystein (NAC), das es auch als Ökoarznei im Bioladen gibt und Schleim flüssiger machend das Abhusten erleichtert. Die Römer pflegten nach "abusus in Baccho" frische Euleneier zu essen, die ebenso reich an NAC sind wie der Krötenlaich, auf den sich die alten Germanen verließen.
Allergisch reagierten alle zivilisatorischen Schichten von Trinkern in allen Heimstätten dieser Welt auf ein probates, puritanisches Mittel: man bekämpfte und bekämpft all die mit Verve und Erfolg, welche -fies genug - das fordern, was nur phasenweise funktioniert: Abstinenz. Wohin das bei denen führt, die sich daran halten, das zeigt sich - sapienti sat - bei Gotteskriegern mit Abstinenzabusus genauso wie bei paganen Führerfiguren mit vegetarisch-antialkoholischem Habitus.
Exploratives Verhalten unter Alkohol
Auch und gerade unter Alkoholeinfluss wird eine genuine Fähigkeit des Menschen befördert, die er mit dem Tier gemeinsam hat, aber in einer ganz anderen Intensität nützt, das explorative Verhalten an vertrautem Ort.
So liest man in einschlägiger Literatur von englischen Trinkern, die von Brücken auf die Oberleitungen der Eisenbahnen herunterharnen, nur um herauszufinden, ob was dran ist, wenn "Strom" dransteht.
Dass dem so ist - so finden wir bei Henry Glass - musste auch der Brite erfahren, der mit seinem Buddy um zwölf Biere gewettet hatte, dass Oberleitungen keinen Strom führen, wenn der Zug im Bahnhof steht. "Ihm bleibt als einziger Trost", kommentierte mit levitatorischem Humor der Polizeibericht, "dass er die Wette nicht mehr bezahlen muss."
Valete