"Der Unnerschied von einen Mensch und einen Engel ist leicht. Das meiste von ein Engel ist innen, und das meiste von ein Mensch ist außen."
Anna war sechs Jahre alt. Manchmal hieß sie Fratz. Mit fünf Jahren kannte sie den Sinn des Lebens und wusste, was Liebe ist. Dazu war sie eine persönliche Freundin und auch Beraterin von Herrn Gott. Mister Gott eigentlich. Da die Engel selbstverständlich englisch sprechen, war anzunehmen, dass ihr oberster Herr das auch tat. Mister Gott also.
Anna war sehr gebildet. Theologie, Mathematik, Philosophie, Dichtkunst und Gärtnerei – nichts war ihr fremd. Fragte man sie etwas, bekam man unter allen Umständen eine Antwort. Manchmal verzögerte sich die Antwort, aber nach ein paar Wochen oder Monaten kriegte man sie – manche Dinge brauchen ihre Zeit. Die Antworten waren direkt, einfach und präzise.
Sie feierte ihren achten Geburtstag nicht hier; sie starb vorher bei einem Unfall. Sie starb mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht. Ihr letzter Satz war: „Wetten, dass mich Mister Gott dafür in sein Himmel reinlässt.“ Und ich wette nicht dagegen. Er tat es sicher.
Ich kannte Anna ungefähr dreieinhalb Jahre lang.
Manche Leute sind berühmt, weil sie allein die Welt umsegelt oder auf dem Mond zu Mittag gegessen haben. Jeder Mensch weiß von solchen Leuten. Mich kennt fast niemand, und doch erhebe ich Anspruch auf den Ruhm, Anna gekannt zu haben und, wie ich glaube, recht gut. Am besten eigentlich von innen – denn wie gesagt, „das meiste von ein Engel ist innen“. Und das ist die Geschichte, wie ich Anna kennenlernte. Seither habe ich noch zwei weitere Engel getroffen. Aber das ist wieder etwas anderes.
aus "Hallo MMr. Gott, hier spricht Anna"