Hallo Prudentius und alle anderen Hellenen!
Eigentlich gehört dieser Beitrag noch in 5.94-97, aber nun ist er länger geworden als ich dachte. Es geht um Zitate gr. Autoren im röm. Recht.
Digesten 1,1,1 pr. (Ulpianus 1 inst.)
"..ut eleganter Celsus definit, ius est ars boni et aequi."
(..wie es Clesus elegant definiert, das Recht ist die Wissenschaft vom Guten und Billigen.)
Bei den Griechen gab es eine Hochphase der Philosophie, bei den Römern eine der Rechtswissenschaft. Dass ein großer Teil des röm. Rechts, vor allem der Digesten (u.a.) in das dt. Rechtssystem übergegangen ist, dürfte allgemein bekannt sein. Wieviel aber ist von den Gedanken der Griechen ins röm. Recht eingegangen? Immerhin hatte eine ganze Reihe röm. Juristen gr. Wurzeln bzw. war gr. gebildet. So auch Celsus. Nachdem ich gerade einen interessanten Aufsatz des emer. Prof. für Römisches Recht, Detlef Liebs, gelesen habe, fage ich mich: Hat Celsus sich an Aristoteles erinnert? (siehe Thread Thuk. 5.94-97).
Für alle, die etwas damit anfangen können, hier ein paar Auszüge aus dem Liebs-Aufsatz:
"Marcian nun begann sein umfangreiches Lehrbuch des römischen Rechts wie Gajus und Ulpian mit einem Titel über Rechtsquellen (De iure). Daraus erhalten sind ein kurzer Ausspruch über Amtsrecht, eine Bemerkung zu mitunter uneigentlichem Gebrauch des Wortes ius und zwei längere griechische Zitate zum Gesetzesbegriff. Das erste ist der ersten Rede (angeblich) von Demosthenes orator gegen Aristogeiton entnommen (1) .. und umschreibt das Wesen des Gesetzes (νόμος).
Schon Papinian hatte diese Stelle ausgewertet, allerdings in leicht gekürzter lateinischer Fassung und ohne zu sagen, dass es sich um fremdes Gedankengut handelt (2). Weggelassen hatte Papinian insbesondere eine Nebenbemerkung am Anfang: dass jedes Gesetz eine Eingebung und ein Geschenk der Götter sei; sowie den Schluss: dass es sich für alle in der Stadt gehöre, nach dem Gesetz zu leben.
Marcian dagegen stand nicht an, die Aussage ohne Aufhebens vollständig in der griechischen Originalsprache und mit Angabe ihres Urhebers zu zitieren. Und damit nicht genug. Er fügte eine etwas weitläufigere Bestimmung des Gesetzes von Chrisipp (3) hinzu, der die Akzente etwas anders gesetzt hatte, und führte ihn mit den Worten ein: der Philosoph größter stoischer Weisheit (philosophus summae stoicae sapientiae)."
(1) Digesten 1.3.2 (Marcianus 1 inst.)
"Nam et Demosthenes orator sic definit: touto estin nomos, hw pantas anvrwpous prosykei
peivesvai dia polla, kai malista hoti pas estin nomos ehurema men kai dwron veou, dogma de
anvrwpwn fronimwn, epanorvwma de twn hekousiwn kai akousiwn hamartymatwn, polews de
sunvyky koiny, kav' hyn hapasi prosykei zyn tois en ty polei."
(2) Digesten 1.3.1 (Papinianus 1 def.)
"Lex est commune praeceptum, virorum prudentium consultum, delictorum quae sponte vel ignorantia contrahuntur coercitio, communis rei publico sponsio."
(3) Digesten 1.3.2 (Marcianus 1 inst.)
"Sed et philosophus summae stoicae sapientiae Chrysippus sic incipit libro, quem fecit peri nomou: ho nomos pantwn esti basileus veiwn te kai anvrwpinwn pragmatwn: dei de auton prostatyn te einai twn kalwn kai twn aisxrwn kai arxonta kai hygemona, kai kata touto kanona te einai dikaiwn kai adikwn kai twn fusei
politikwn zwwn prostaktikon men hwn poiyteon, apagoreutikon de hwn ou poiyteon ."
Auch auf folgende Stelle (und zahlreiche andere Stellen) weist Liebs hin:
Iustinian, Inst. 3.23 §2
"Item pretium in numerata pecunia consistere debet. nam in ceteris rebus an pretium esse possit,
veluti homo aut fundus aut toga alterius rei pretium esse possit, valde quaerebatur. Sabinus et
Cassius etiam in alia re putant posse pretium consistere: unde illud est quod vulgo dicebatur, per
permutationem rerum emptionem et venditionem contrahi, eamque speciem emptionis
venditionisque vetustissimam esse: argumentoque utebantur Graeco poeta Homero, qui aliqua parte
exercitum Achivorum vinum sibi comparasse ait permutatis quibusdam rebus, his verbis: ἔνθεν ἄρ` οίωίζοντο καρηκομόωντες Αχαιοί, ἄλλοι μὲν χαλκᾧ, ἄλλοι δ`αἴθωνι σιδήρῳ, ἄλλοι δὲ ρίνοῖς, ἄλλοι δ`αὐτῇσι βόεσσι, ἄλλοι δ`ἀνδραπόδεσσι." (Homer, Il. 7,472-75)
Für mich war das mal ein schöner Exkurs, falls jemand von euch noch etwas Interessantes beitragen kann, gerne!
Roxane
Nachtrag:
http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv? ... ok_ext=htmIm zweiten Band von "Graeca non leguntur? - Zu den Ursprüngen des europäischen Rechts im antiken Griechenland" widmet der Autor, ein Zivilrechtler und Rechtshistoriker, 76 Seiten der epieikeia. Uih...
Zum Schluss noch Platon, Nomoi XI 925 e,f
„Daher sei zur Verteidigung des Gesetzgebers wie des Gesetzesempfängers gleichsam eine Art gemeinsame Vorrede vorausgeschickt, die einerseits die vom Befehl des Gesetzes Betroffenen bittet, Verständnis für den Gesetzgeber zu haben, wenn er bei seiner Sorge um das allgemeine Wohl nicht zugleich auch die persönlichen Schwierigkeiten berücksichtigen kann, die sich für den Einzelnen daraus ergeben; und die andererseits aber auch um Nachsicht für die Gesetzesempfänger bittet, wenn diese verständlicherweise bisweilen nicht in der Lage sind, die Anordnungen des Gesetzgebers zu erfüllen, die dieser ohne Kenntnis der Sachlage [sc des Einzelfalles] erlässt.“
Dazu Heinz Barta:
"Der Text lehrt uns auch, dass Platon Präambeln dazu nützen will, die „Rechtsakzeptanz“ zu fördern. Darüber hinaus berührt Platon hier auch das Problem der Epieikeia/Billigkeit *, die diesen nicht immer einfachen (Gerechtigkeits)Ausgleich herstellen soll."
*Die Römer übernahmen sie und nannten sie aequitas