Anab. II. 1.2. (ἕως)

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Anab. II. 1.2. (ἕως)

Beitragvon Roxane » Do 23. Jan 2014, 11:29

Einen schönen guten Morgen, ihr Lieben!

Ich grübele gerade darüber, was der Optativ Aorist in folgendem Satz zu suchen hat?

<ἔδοξεν οὔν αὐτοις συσκευασαμἐνοις, ὃ εἶχον, καἰ ἐξοπλισαμένοις προῖέναι εἰς τὸ πρόσθεν, ἕως Κύρῳ συμμείξειαν>

<Sie beschlossen also, das, was sie hatten, zusammenzupacken und vollständig bewaffnet bis zur Front vorzurücken, bis sie sich mit Kyros vereinigten.>

Da es sich um eine subjektive Erwartung handelt, aber nicht um einen sich wiederholenden Vorgang der Vergangenheit, der einen Optativ rechtfertigen würde, hätte ich den prospektiven Konjunktiv mit ἄν erwartet, entsprechend Hellas L 100:

<μείνατε, ἕως ἂν ὑμῖν σημήνω>
<haltet stand, bis ich euch befehle>

Vielleicht haben wir es aber auch gar nich mit einem Temporal-, sondern mit einem Finalsatz zu tun: Remacle gibt ihn nämlich so wieder:
<...pour se rέunir au prince.>

Als weitere Bedeutung für ἕως findet man bei Langenscheidt (aber nur dort) tatsächlich die Bedeutung <damit>.
Und in einem Finalsatz kann nach einem Vergangenheitstempus der Optativus obliquus stehen.
Ist das vielleicht die Lösung?

Was meint ihr?
Roxane
Zuletzt geändert von Roxane am Do 23. Jan 2014, 11:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Anab. II. 1.2. (ἕως)

Beitragvon Prudentius » Do 23. Jan 2014, 11:52

Hallo Roxane,

der Temporalsatz mit ἕως steht im Sinne eines Finalsatzes und ist wie ein solcher konstruiert, es ist ja ihre Absicht, sich mit Kyros zu vereinigen. Nach Präterita kann auch reiner Optativ stehen, du findest es schon in der Grammatik.

προῖέναι εἰς τὸ πρόσθεν: vorzurücken; vorzumarschieren.

lgr. P. :)
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Re: Anab. II. 1.2. (ἕως)

Beitragvon Roxane » Do 23. Jan 2014, 12:08

Danke Prudentius, ich habe auch gerade gemerkt, dass es sich genau so verhält wie du es sagst und es sich hier um einen Finalsatz handelt. Die Gottwein-Übersetzung (<bis..>) ist dann wohl nicht ganz richtig. Schade auch, dass nicht einmal das online-Wörterheft zu Anabasis die Bedeutung <damit> angibt.

Einen schönen Tag noch!
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Re: Anab. II. 1.2. (ἕως)

Beitragvon Medicus domesticus » Do 23. Jan 2014, 12:27

Hallo Roxane,
Nicht ganz uninteressant dazu ist Kühner/Gerth § 594 a).
http://www.perseus.tufts.edu/hopper/tex ... ythp%3D594
Da findest du auch deinen Satz:
2. 1, 2 ἔδοξεν οὖν αὐτοῖς . . προιέναι εἰς τὸ πρόσθεν, ἕως Κύρῳ συμμείξειαν (or. r.: πρόιτε, ἕως ἂν συμμείξητε)
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Re: Anab. II. 1.2. (ἕως)

Beitragvon Roxane » Do 23. Jan 2014, 13:29

Oh, das ist sogar sehr interessant, danke für den Hinweis, Medicus. Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, den Satz unter <Oratio obliqua> zu suchen. Schließlich findet sich in unserem Satz doch kein <verbum dicendi oder sentiendi>, von dem eine Oratio obliqua abhängen könnte. Meiner Meinung nach liegt eine solche hier gar nicht vor, oder?

Schöne Grüße
Roxane
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Re: Anab. II. 1.2. (ἕως)

Beitragvon Prudentius » Do 23. Jan 2014, 18:23

Schade auch, dass nicht einmal das online-Wörterheft zu Anabasis die Bedeutung <damit> angibt.


Ganz so weit würde ich nicht gehen, lieber sagen "finaler Temporalsatz"; ähnlich auch im L., dum mit Konjunktiv, auch im D., "Er strengt sich an, bis er ans Ziel kommt".

Medicus hat Recht, man könnte den Optativ auch als obliquus erklären.

...findet sich in unserem Satz doch kein <verbum dicendi oder sentiendi>, von dem eine Oratio obliqua abhängen könnte. Meiner Meinung nach liegt eine solche hier gar nicht vor, oder?


Das "oder?" ist richtig :-D , denn es ist von einem Beschluss die Rede (ἔδοξεν ), der indirekt wiedergegeben wird, im Gr. Infinitivkonstruktion (ACI nicht nötig).

lgr. P. :)
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Re: Anab. II. 1.2. (ἕως)

Beitragvon Roxane » Fr 24. Jan 2014, 10:25

Hallo Prudentius!

Inzwischen habe ich gemerkt, dass unser Satz sehr wohl den Regeln der Oratio obliqua entspricht: Der Hauptsatz enthält ein Begehren (ἔδοξεν αὐτοῖς) und steht im Infinitiv (προῖέναι). Der ἕως-Satz steht als innerlich abhängiger Nebensatz im Optativ (συμμείξειαν).

Die Bezeichnung <finaler Temporalsatz> scheint mir genau richtig zu sein, wenn ich mir das lat. "dum" ansehe, auf das du verwiesen hast: Es steht mit dem Indikativ, wenn eine rein temporale Aussage vorliegt. Steht es aber mit dem Konjunktiv, so zeigt das, dass es von einer finalen Bedeutung überlagert wird. Deshalb kann es trotzdem mit <bis> wiedergegeben werden.

Lassen wir es also ruhig bei dem <,..bis sie mit Kyros zusammen kamen.>

Alles geklärt, denke ich. Danke schön!
Roxane
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