ΕΛΛΑΣ 127

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Beitragvon Roxane » Mo 4. Nov 2013, 15:08

Ein praktischer Philosoph

Als der Milesier Thales einmal die Sterne beobachtete und hinauf blickte, fiel er in einen Brunnen. Da soll ihn nun eine Sklavin ausgelacht haben, weil er zwar den Himmel verstehen wollte, aber nicht imstande war, das, was sich vor seinen Füßen befand, zu erkennen.
Als ihm nun auch irgendwelche andere vorwarfen, dass die Philosophie in keiner Weise nütze, erdachte er sich einen sehr schönen Beweis: Denn weil er infolge seines Wissens über die Sterne im voraus erkannte, dass es eine reiche Olivenernte geben werde, kaufte er im Winter alle Olivenpressen in Milet auf. Doch als der rechte Augenblick gekommen war, hatte er den meisten Nutzen, weil er - dadurch, dass es plötzlich einen sehr großen Mangel gab - die Olivenpressen so verkaufen konnte, wie er es wollte. Da bewunderten ihn die Bürger offenbar wegen seiner Weisheit. Denn er zeigte ihnen, dass es leicht ist, den Philosophen den Geldbeutel anzufüllen, aber das es nicht das ist, worum sie sich ernsthaft bemühen.
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Re: ΕΛΛΑΣ 127

Beitragvon Glis » Di 5. Nov 2013, 01:19

Gut übersetzt, Roxane!
Meine drei Kopeken:

Z. 2, das τὰ μὲν ἐν οὐρανῷ: Vielleicht genauer "himmlische Angelegenheiten/himmlische Dinge/Himmelsdinge"?
Z. 6: ... kaufte er noch im Winter .../... kaufte er, obwohl es noch Winter war, ...
Z. 7: Das γενομένης vorzeitig: ... dadurch, dass plötzlich sehr großer Mangel entstanden war, ...
Z. 10 f.: Den vorderen Teil habe ich anders übersetzt, nämlich mit Dativus commodi: "Denn er zeigte ihnen, dass es für die Philosophen leicht ist, ihren Geldbeutel zu füllen, falls sie das wünschen ..." (Letzteres hast du vergessen.)
Ein Problemchen habe ich mit dem hinteren Teil. Den hast du eigentlich schlüssig übersetzt - in meiner Fassung: "... dass es aber nicht das ist, worum sie sich ernsthaft bemühen." Hier steht allerdings ἔστιν, also die anfangsbetonte Form, die eine andere Bedeutung hat als die Kopula. Wie tragen wir dem Rechnung? Ich dachte zunächst so: "..., dass aber das, worum sie sich ernsthaft bemühen, nicht existiert/vorhanden ist." ("Nicht existiert" im Sinne von "himmlische Angelegenheiten", ihr Betätigungsfeld wäre also "Schall und Rauch", sozusagen.) Aber worauf bezöge sich dann τοῦτο? Dieses Pronomen zeigt doch immer auf bereits Erwähntes.
Ich bin da gerade ratlos.
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Re: ΕΛΛΑΣ 127

Beitragvon Roxane » Di 5. Nov 2013, 14:40

Hallo Glis,
deine Anmerkungen waren wieder mal sehr hilfreich!
Bei dem ἔστιν habe ich tatsächlich nicht genau hingesehen. Was machen wir nun mit dem τοῦτ`?
Bei Langenscheidt habe ich eine Bedeutung für καὶ τοῦτο gefunden, nämlich <und zwar> und <und noch dazu>.
In unserem Satz steht zwar ἀλλα τοῦτο, aber ob das ein Unterschied ist? So kann es ja wohl nicht heißen:
",..dass es darüber hinaus nichts gibt, worum sie sich ernsthaft bemühen."

Prudentius, kannst du bitte noch mal helfen?
<ἀλλ` οὐ τοῦτ` ἔστιν, περὶ ὃ σπουδάζουσιν.>
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Re: ΕΛΛΑΣ 127

Beitragvon Prudentius » Di 5. Nov 2013, 18:25

den Himmel verstehen wollte


die Himmelserscheinungen, die Sterne.

Z. 7: Das γενομένης vorzeitig:


vorzeitig: ja, aber Plusqupf. nicht nötig.

Hier steht allerdings ἔστιν, also die anfangsbetonte Form, die eine andere Bedeutung hat als die Kopula. Wie tragen wir dem Rechnung?


Da kommen wieder die Akzentregeln bei den Enklitika: ich habe gefunden, wenn eine Elision vorausgeht, behält das Enklitikon den Akzent; also Kopula, also ist Roxane richtig.

aber dass es nicht das ist, worum sie sich ernsthaft bemühen.


Wird so abgesegnet,


dass es leicht ist, den Philosophen den Geldbeutel anzufüllen


Du musst den Dativ auf leicht beziehen, nicht auf anfüllen!

lgr. P. :)
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Re: ΕΛΛΑΣ 127

Beitragvon Glis » Di 5. Nov 2013, 20:50

Wieder mal ein Grund zur endgültigen Durchdringung der Akzentregeln.
Eine Nachfrage: Die Kopula wird in den Deklinationstabellen, wo man wohl von nichtenklitischer "Einzelstellung" des Wörtchens ausgeht, mit Akzent auf dem Iota angegeben: ἐστίν. Dann würde der Akzent bei vorausgehender Elision nach vorne wandern?
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Re: ΕΛΛΑΣ 127

Beitragvon Prudentius » Mi 6. Nov 2013, 11:44

Aus dem Kopf weiß ich es auch nicht, habe aber den Hinweis auf die Elision in der Früchtel-Grammatik gefunden, es ist ja plausibel, wenn die akzenttragende Silbe nicht vorhanden ist, dann geht der Akzent auf die nächste. Vllt. eine bessere Erklärung finde ich im Gemoll, bei eimi, da steht, dass nach bestimmten Wörtern, zu denen tuto gehört, estin den Akut auf dem Epsilon hat.
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Re: ΕΛΛΑΣ 127

Beitragvon Roxane » Mi 6. Nov 2013, 15:07

Hallo ihr beiden,
nur aus Versehen habe ich den letzten Satz mit dem ἔστιν so wiedergegeben, wie er richtig zu sein scheint.
Geht dem ἐστιν ein τοῦτο voraus, so hat das zur Folge, dass es einen Akut auf dem Epsilon erhält. Bedeutung: <es ist>.
Darauf wäre ich nicht gekommen, danke Prudentius!

Zum γενομένης im Satz Zeile 7f: Es ist zwar ein Partizip Aorist, aber muss nicht vorzeitig übersetzt werden. Vgl. Langenscheidt γίγνομαι = werden, entstehen; sein (bsd. in Formen der Vergangenheit), daher

"...dadurch, dass es plötzlich einen sehr großen Mangel gab,..."

Bis dahin!
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Zuletzt geändert von Roxane am Do 7. Nov 2013, 09:15, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: ΕΛΛΑΣ 127

Beitragvon Prudentius » Mi 6. Nov 2013, 18:57

"...dadurch, dass es plötzlich einen sehr großen Mangel gab,..."


Wir würden sagen: "wegen des plötzlichen Nachfragebooms".
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Re: ΕΛΛΑΣ 127

Beitragvon Roxane » Mi 6. Nov 2013, 20:02

Das ist ja eine richtig coole Formulierung, Prudentius! Bei mir klingt der Satz viel langweiliger.
Übrigens: Der Verzehr von Olivenöl soll die Lebensdauer erhöhen. Ob es unbedingt griechisches sein muss, weiß ich nicht...
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Re: ΕΛΛΑΣ 127

Beitragvon Glis » Mi 6. Nov 2013, 21:29

Hallo, Freunde des Absatzförderungsvokabulars,
eine Frage hätte ich noch zu dem γενομένης, Roxane: Was am Langenscheidt-Lemma lässt dich denn darauf schließen, dass es nicht vorzeitig zu übersetzen ist?
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Re: ΕΛΛΑΣ 127

Beitragvon Roxane » Do 7. Nov 2013, 09:51

Hallo Glis,
deine Nachfrage wegen γενόμενος ist berechtigt:
Der Langenscheidt besagt lediglich, dass Vergangenheitsformen von γίγνομαι mit <sein> übersetzt werden können, aber nicht, dass sie präsentisch wiedergegeben werden müssen. Davon war ich fälschlicherweise ausgegangen.
Die gleichzeitige Wiedergabe des Partizips Aorist scheint mir dennoch gerechtfertigt. In meinem Kairosbuch ist nämlich in Lektion 27, A3 für γενόμενος die Bedeutung "werdend" angegeben.

Schöne Grüße
Roxane
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Re: ΕΛΛΑΣ 127

Beitragvon Glis » Do 7. Nov 2013, 12:27

Hallo Roxane,

wieder mal eine sehr interessante Diskussion, finde ich.
Ich habe noch ein Argument beizusteuern: Bei der Frage, was ein Partizip Aorist ausdrückt, kommt es, soweit ich es verstanden habe, zuvorderst darauf an, 1. welche Zeitstufen das verbale Umfeld aufweist und 2. wo das Part. platziert ist.
In unserem Satz steht das γενομένης vor dem finiten Verb ὤνητο, was ein Hinweis darauf ist, dass der durch das Partizip Aorist ausgedrückte Vorgang dem des finiten Verbs vorausgeht.
Weiterer Gesichtspunkt: Im Partizip-Infinitiv-Gebilde ἀποδόσθαι δυνάμενος, das sich zwischen γενομένης und finites Verb geschoben hat, steht das Partizip im Präsens, bezeichnet also normalerweise einen Vorgang, der sich gleichzeitig zur Handlung des finiten Verbs abspielt. Und Letzteres steht im Aorist, was wohl den Infinitiv Aorist erklärt.
Dieser Kontrast zwischen Part. Aor. und Part. Präs. scheint mir ein weiteres Argument dafür, dass der antike Sprecher des Griechischen das γενομένης als vorzeitig empfunden hätte.
Wie der Hinweis in "Kairos" zu deuten ist, weiß ich leider nicht. Denn dass man ein γένομενος stets präsentisch als "werdend" zu übersetzen hätte, kann ja auch nicht sein - in unserem Satz schon gar nicht, da der sich ja insgesamt in der Vergangenheit abspielt.

Beste Donnerstagsgrüße - deinen dankenswerterweise neu eingestellten Lektionstexten wende ich mich baldigst zu!
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Re: ΕΛΛΑΣ 127

Beitragvon Roxane » Do 7. Nov 2013, 14:14

Zur Zeitstufe des finiten Verbs und zur Stellung des Partizip Aorist

Ein bisschen habe ich gestöbert, Glis. Dabei habe ich die ein oder andere Konstruktion im Gen. abs. mit γενομένης gefunden, und zwar in der Bibel. Häufig taucht dort die Wendung auf: γενομένης δὲ ἡμέρας.
In der Apostelg. 12 Vers 18 finden wir das finite Verb ἐγένετο, also Aorist.

Geben wir den Gen. abs. nun vorzeitig wieder, so müsste es heißen <nachdem es Tag geworden war>

In meiner dt. Bibelausgabe ist die Stelle gleichzeitig wiedergegeben : <Da es nun Tag ward (was einem <wurde> entspricht, nicht einem <war>)>. Vgl. Kairos: γενόμενος = werdend

Nun zu den Olivenpressen: Ich meine, dass die gleichzeitige Wiedergabe des Gen. abs. in unserem Satz durchaus gerechtfertigt ist und man es bei dem <..,so dass es einen großen Mangel gab> belassen sollte. Die präsentische Wiedergabe des Part. Aor. γενόμενος ist grundsätzlich statthaft (siehe Kairos), auch wenn dieses Partizip vor dem finiten Verb platziert ist und dieses finite Verb im Aorist steht (siehe Bibelstelle).

Zum Inhalt des Satzes in der Apostelg.: Der Tag brach an, es war noch nicht hellichter Tag.
" in Zeile 7f: Der Mangel besteht noch, ist noch nicht behoben.

Was meint ihr?
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Re: ΕΛΛΑΣ 127

Beitragvon Glis » Do 7. Nov 2013, 15:28

Huhu, Roxane!

"Da es nun Tag ward, herrschte bei den Soldaten keine geringe Unruhe ..." (die zweite Hälfte stammt von mir): Ich meine, die Kriterien einer vorzeitigen Übersetzung (= gereihte zeitliche Abfolge) sind bei deiner Bibel-Beispielstelle nicht streng erfüllt, aber immer noch sichtbar, da mit Temporalsatz gearbeitet wird und das "Tagen" in der Ereigniskette vorne steht. Vorzeitigkeit muss ja nicht, wie man es manchmal schematisch tut, mit "nachdem" und Plusquamperfekt ausgedrückt werden, zumal das Heraufziehen des Tages ein gradueller Vorgang ist. Deshalb ist bei der Bibelstelle vielleicht eine das Übergangshafte anzeigende Wortwahl angemessen.

Was du am Ende zum Weiterbestehen des Mangels in unserem Olivenpressen-Fall aus "Hellas" schreibst, ist natürlich ein wichtiger Aspekt, der zugunsten einer nichtvorzeitigen Übersetzung sprechen könnte. Vielleicht hat γενόμενος als Part. Aor. ja eine besondere (resultative/Fortdauer anzeigende) Konnotation, so dass die Vorgabe der "Hellas"-Grammatik, bei Part. Aor. vor finitem Verb "in der Regel" (Par. 84.2) vorzeitig zu übersetzen, hier zu durchbrechen wäre?

Die Frage wäre dann allerdings: Warum der Kontrast Part. Aor. γενόμενος vs. Part Präs. δυνάμενος?

Ich wäre natürlich auf weitere Meinungen gespannt. Darum hier der Satz für alle zum Mitreden:

Ἐπειδὴ δ᾽ ὁ καιρὸς ἧκεν, ἐξαίφνης μεγίστης ἐνδείας γενομένης τὰ ἐλαιουργεῖα ἀποδόσθαι δυνάμενος, ὅν τρόπον ἐβούλετο, πλεῖστα ὤνητο.
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Re: ΕΛΛΑΣ 127

Beitragvon Roxane » Do 7. Nov 2013, 16:24

Noch mal zum Kairosbuch und zur Bibelstelle:

Im Kairosbuch wird γενόμενος genau wie folgt angegeben: werdend, "geworden seiend"

Zur Bibel: Hieronymos hat den Satz so übertragen <facta autem die erat non parva turbatio inter milites>
und nicht etwa <sole oriente>.....

Ob wir des Rätsels Lösung noch finden werden ὁψίας γενομένης ? Vielleicht kann ja......
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