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Beitragvon Glis » Mo 28. Okt 2013, 23:45

Die Mutter als Verbündete

Achill ist von Agamemnon beleidigt worden und hat sich deshalb lange vom Kampf ferngehalten. Nun sitzt er weinend am Strand. Da taucht die Meeresgöttin Thetis, seine Mutter, aus den Wellen und spricht ihn an:

Thetis: "Kind, was weinst du? Wer hat dich in so großen Kummer gestürzt?"
Achilles: "Ich gab dem Gefährten Patroklos, liebe Mutter, meine Rüstung und setzte ihn an die Spitze der Krieger, damit er statt meiner die Trojaner von unserem Lager weglockt. Doch er wurde nicht nur von Hektor getötet, es wurde auch noch meine Rüstung geraubt. Jetzt werde ich natürlich selbst an die Spitze der Krieger treten, um Hektor zu erschlagen."
Thetis: "Aber Kind, sogleich steht dann im Anschluss an Hektor der Tod für dich bereit."
Achilles: "Ich will auf der Stelle tot sein, weil ich dem Gefährten, der von mir ins Verderben geschickt worden ist, nicht geholfen habe. Ich werde jetzt gewiss von meinem Hass gegen Agamemnon ablassen. Versuche also nicht, mich vom Kampf abzuhalten. Denn du wirst meine Meinung nicht ändern."
Thetis: "Nun gut. Aber erwarte, nachdem du dich in Stellung gebracht hast, das Deine. Denn morgen werde ich zurückkehren und eine schöne Rüstung von Hephaistos mitbringen."
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Re: ΕΛΛΑΣ 125

Beitragvon Roxane » Mo 4. Nov 2013, 14:16

Bravo, Glis! Gründlich durchgesehen und fast nichts anzumerken.

Wenn ich an L117 und die Beispiele zu den Perfectopräsentien denke, meine ich, dass man das
καταστησάμενος in Zeile 11, obwohl es ein Partizip Aorist ist, mit <wenn du stehst> wiedergegeben sollte.

Einverstanden?
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Re: ΕΛΛΑΣ 125

Beitragvon Prudentius » Mo 4. Nov 2013, 21:43

meine ich, dass man das καταστησάμενος in Zeile 11, obwohl es ein Partizip Aorist ist, mit <wenn du stehst> wiedergegeben sollte.


Da bin ich nicht einverstanden, καταστησάμενος ist transitives Medium, es dürfte ein Objekt haben, ist also aktiv zu übersetzen. Es ist auch kein Perfekt, also vorzeitig übersetzen, wie Glis geschrieben hat.
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Re: ΕΛΛΑΣ 125

Beitragvon Glis » Di 5. Nov 2013, 01:27

Hallo Prudentius,
der Satz lautet: ἀλλὰ καταστησάμενος τὰ σὰ περίμενε.
Ich vermag nicht recht zu entscheiden, ob Ï„á½° σὰ Objekt zu καταστησάμενος oder zu περίμενε ist. Eine sinnvolle Bedeutung ließe sich so oder so konstruieren, als zweite Alternative also: "Warte, nachdem du deine Angelegenheiten geordnet hast." Liegt die Antwort in der Satzstellung?
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Re: ΕΛΛΑΣ 125

Beitragvon Roxane » Di 5. Nov 2013, 13:07

Hallo Prudentius,
gut, dass du mich korrigiert hast, ich habe bei Kühner (§ 384) noch einmal nachgeschlagen.
Folgendes werde ich mir merken:
Das griechische Perfekt (!) (z.B. ἓστηκα) bezeichnet nicht nur eine vollendete Handlung (<ich habe mich gestellt>), sondern auch das aus der Vollendung für die Gegenwart hervorgehende Ergebnis (<ich stehe>).
Den Aorist (in unserem Satz das Partizip Aorist καταστησὰμενος) hingegen bezeichnet Handlungen, die nicht in ihren Wirkungen und Folgen bis in die Gegenwart fortbestehen.
Daher ist das καταστησάμενος vorzeitig zu übersetzen, genau wie Glis es hatte.

Hallo Glis,
Mich hätte jetzt auch mal interessiert, wie mit dem Ï„á½° σὰ zu verfahren ist. Leider bin ich aus dem Quelltext (Il. XVIII, 125 - 135) nicht schlau geworden. Ich tendiere eher zu deinem letzten Vorschlag, denn Langenscheidt gibt für das Med. trans. <für sich (das Seinige) hinstellen> an, S. 234 oben.

Bis später
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Re: ΕΛΛΑΣ 125

Beitragvon Prudentius » Di 5. Nov 2013, 20:06

ἀλλὰ καταστησάμενος τὰ σὰ περίμενε.

Ich vermag nicht recht zu entscheiden, ob τὰ σὰ Objekt zu καταστησάμενος oder zu περίμενε ist.


Überlegt so: wir haben zwei Verben und ein Objekt; καταστησάμενος ist eindeutig transitiv; περίμενε kann transitiv oder intransitiv sein; also klare Entscheidung: das Objekt muss zu καταστησάμενος, und περίμενε ist intransitiv; also: "Bring das Deine in Ordnung und halte aus"; wir haben großen Spielraum für bessere Formulierungen: triff die nötigen Vorkehrungen, bereite dich vor, stell dich auf den Kampf ein, tu dein Möglichstes, bring dich in Position... (wir brauchen ja nicht an den Wörtern zu kleben).
περίμενε: halte aus, halte stand, halte durch, gib nicht auf!...

Wir können also das PC beiordnen und auch mit Imperativ übersetzen; die Vorzeitigkeit kommt ja schon allein durch die Reihenfolge zum Ausdruck.

lgr.P. :)
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Re: ΕΛΛΑΣ 125

Beitragvon Glis » Di 5. Nov 2013, 20:41

Okay!
Noch mal ganz für blutige Laien: Eine bevorzugte Stellung des Objekts - nach oder vor der es "regierenden" Verbalform - gibt es im alten Griechisch, wie in vielen alten Sprachen mit "freier Wortstellung", wahrscheinlich nicht?
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Re: ΕΛΛΑΣ 125

Beitragvon Prudentius » Mi 6. Nov 2013, 21:47

Eine feste Wortstellung gibt es nicht, weil zwei unterschiedliche Wunschziele konkurrieren:
- das grammatische Wunschziel möchte die Satzteile schön in der Reihe ordnen, eins nach dem anderen,
- das rhetorische Wunschziel benutzt die Sprache, um Wirkung zu erzielen, den Leser/Hörer zu beeinflussen, ihn zu gewinnen, da werden die wichtigen Wörter an die betonten Stellen, Anfang und Schluss, gesetzt.
Der Autor muss jeweils einen Kompromiss finden.

lgr. P. :)
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