Symposion - Rede des Phaidros

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Symposion - Rede des Phaidros

Beitragvon Ioscius » Mo 5. Nov 2012, 00:48

Hallo,

ich darf in der übernächsten Woche die Rede des Phaidros im Symposiom vorstellen.

Ich habe mein Graecum an der Uni nachgeholt, folglich sind meine Kenntnisse natürlich nicht ganz so breit gefächert, wie wenn ich das Fach mehrere Jahre in der Schule gehabt hätte.
Ein Teil des Vortrags besteht darin, das Thema des Buchs zu beschreiben und vor allem auch den Redner selber zu beschreiben,
der andere Teil besteht darin zu übersetzen.
Ich nehme mir täglich ein bestimmtes Pensum vor, dass ich den Text auf jeden Fall bis Mittwoch oder so übersetzt habe, um eine Woche Zeit zu haben, mich auch um den geschichtlichen Hintergrund zu beschäftigen.

Der ganze griechische Text kann natürlich der Übersichtlichkeit halber hier nachgeschaut werden:
http://www.perseus.tufts.edu/hopper/tex ... ion%3D178a

Meine Fragen bis zu meinem jetzt übersetzten Teil wären die folgenden:

1) ἃ δὲ μάλιστα καὶ ὧν ἔδοξέ μοι ἀξιομνημόνευτον, τούτων ὑμῖν ἐρῶ ἑκάστου τὸν λόγον.

Wie ist der Satz zu übersetzen?: Die Reclam-Ausgabe sagt: „Was er aber besonders hervorhob und was mir am denkwürdigsten erschien, davon will ich euch jedes Einzelne erzählen.“
a) Ich sehe kein „hervorheben“, für mich geben die Wörter vor „καί“ keinen Sinn :(
b) Wie ist der Schluss wörtlich? „Ich werde euch eine Erzählung dieses jenes Wortes sagen“?


2) ὡς λέγω - λέγω kann wirklich nur Präsens sein? Ein Vergangenheitstempus wäre eben logischer..

3) πρεσβύτατος = der älteste oder sehr alt? Was ist der Gott Eros?

4) εἴ τι αἰσχρὸν ποιῶν κατάδηλος γίγνοιτο (ἢ πάσχων ὑπό του δι᾽ ἀνανδρίαν μὴ ἀμυνόμενος)
Gibt es dazu irgendeine spezielle Grammatikregel, dass γίγνεσθαι mit Partizip steht? Für mich ungewöhnlich..

5) Oὐ γὰρ ἔστιν ἄνευ τούτων οὔτε πόλιν οὔτε ἰδιώτην μεγάλα καὶ καλὰ ἔργα ἐξεργάζεσθαι.

Kann mir jemand diesen Satz wörtlich übersetzen? Prädikat εἴναι mit Infinitiv gibt doch keinen Sinn?

6) φημὶ τοίνυν ἐγὼ ἄνδρα ὅστις ἐρᾷ, εἴ τι αἰσχρὸν ποιῶν κατάδηλος γίγνοιτο ἢ πάσχων ὑπό του δι᾽ ἀνανδρίαν μὴ ἀμυνόμενος, οὔτ᾽ ἂν ὑπὸ πατρὸς ὀφθέντα οὕτως ἀλγῆσαι οὔτε ὑπὸ ἑταίρων οὔτε ὑπ᾽ ἄλλου οὐδενὸς ὡς ὑπὸ παιδικῶν.

a) Sehe ich das richtig, dass hier die griechische doppelte Negation ins Spiel kommt und οὔτε mit „oder“ zu übersetzen ist, „οὐδένος“ mit „irgendeiner“?

b) Warum ist der gesehene Liebhaber im Singular (ὀφθέντα), der Geliebte aber im Plural (παιδικῶν)? Soll bewusst zum Ausdruck gebracht werden, dass ein Liebhaber mehrere Geliebte hatten?

7) (ταὐτὸν δὲ τοῦτο καὶ τὸν ἐρώμενον ὁρῶμεν, ὅτι διαφερόντως τοὺς ἐραστὰς αἰσχύνεται), ὅταν ὀφθῇ ἐν αἰσχρῷ τινι ὤν.

Das letzte Satzglied wird mit „wenn er bei einer hässlichen Handlung gesehen wird“ übersetzt. Wie ist die Sache wörtlich zu verstehen? Ich blicke es überhaupt nicht :(
Heu me linguae Graecae imperitissimus :hairy:


Meine zweite große Frage wäre: Hättet ihr mir Literaturempfehlungen, in denen ich Informationen über Phaidros erfahren kann? Meine einzige Fundquelle ist bis jetzt Wikipedia, was aber ein bisschen schwach für einen Vortrag an der Uni wäre..

http://de.wikipedia.org/wiki/Phaidros_%28Athener%29

Die auf dieser Webseite angebenen Literatur über den Phaidros gibt es in meiner Bibliothek leider nicht..


Vielen Dank schon für eure Mithilfe im Voraus!
Euer Yoshi08
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Re: Symposion - Rede des Phaidros

Beitragvon consus » Mo 5. Nov 2012, 16:53

Νὴ τὸν Δία - ein dicker Brocken! :shock:
Aus Zeitgründen hier nur zwei Bemerkungen:
ὧν ἔδοξέ μοι ἀξιομνημόνευτον, τούτων ...] Die Deutung ὧν ἔδοξέ μοι ἄξιον μεμνῆσθαι ~ ὧν ἔδοξέ μοι ὁ λόγος ἀξιομνημόνευτος dürfte hilfreich sein. Vgl. Kommentar von Bury: http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus%3Atext%3A1999.04.0090%3Atext%3Dcomm%3Asection%3D178A.
Interessant ist, wie der von mir erwähnte Marsilio Ficino die ganze Stelle übersetzt:
Singula vero singulorum dicta nec Aristodemus memoria tenebat nec ego quae ille recensuit singula teneo. Eorum igitur orationem vobis nunc referam, qui memoratu digna dixerunt.

Zu Eros vgl. Aristoph. Av. 700: πρότερον δ᾽ οὐκ ἦν γένος ἀθανάτων, πρὶν Ἔρως ξυνέμειξεν ἅπαντα und Xen. Symp. 8, 1. Mit Blick auf 178 B auch Hesiod, Theogonie 116ff. Vgl. Bury a.a.O.
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Re: Symposion - Rede des Phaidros

Beitragvon Prudentius » Mo 5. Nov 2012, 18:05

Hallo,

5.
Prädikat εἴναι mit Infinitiv gibt doch keinen Sinn?


Doch: "Das Vollbringen ... ist nicht möglich". Der Inf. ist das Subj. und "uk estin" es gibt nicht, es ist nicht möglich (verneinter Existenzquantor). Satzkonstruktion: ACI als Subjekt, ist was besonderes.

"Denn ohne dieses ist es unmöglich, dass eine Stadt oder ein einzelner bedeutende und edle Leistungen vollbringt".

4. nicht gignesthai, sondern κατάδηλος steht mit Pc (ebenso S. 6, auch 7 das on bei ophthe); vielleicht ist es dir bei phainesthai geläufig, scheinen zu..., im D. mit Infinitiv.

6. ta paidika ist in dieser spez. Bedeutung ein Pluralwort, Sinn singular, die Numeri sind eben formale Kategorien und als solche in gewissem Ausmaß manipulierbar.

7. "Wenn gesehen wird, dass er sich in etwas Schändlichem befindet", Pc bei Ausdrücken des Scheinens und Gesehen-Werdens, wie oben.

1.
„Ich werde euch eine Erzählung dieses jenes Wortes sagen“?


"Ich werde euch die Rede jedes einzelnen von ihnen nacherzählen".

Gruß P. :)
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Re: Symposion - Rede des Phaidros

Beitragvon Ioscius » Mo 5. Nov 2012, 20:30

Erst einmal ganz vielen Dank, euch beiden :)

@Prudenti, so ungewöhnlich ist das auch nicht, im Lateinischen kenn ich's ja auch, kommt ja sehr oft vor: Oportet / Consentaneum est / opus est me multo saepius linguas Graecas discere..
Mir fehlt halt ein bisschen die Erfahrung mit der griechischen Sprache :P

@Consus: Der Kommentar ist gut, aber irgendwie beantwortet er nicht die Frage, wie das "die er besonders hervorhob" zustande kam.. Wie soll ich denn das dann übersetzen? Das Problem ist, dass das gleich der erste Satz ist und wenn ich da schon einen schlechten Eindruck machen würde, wäre das eher suboptimal..


Jetzt bräuchet ich bloß noch mehr Informationen über den Phaidros.. Ok, Wikiepdia habe ich schon einmal, und ich werde mir natürlich die Realenzyklopdädie / den Pauly zu Rate ziehen!

Wenn ich morgen / übermorgen den restlichen Text durchgehe, könnten weitere Textfragen entstehen ;)
Ioscius
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Re: Symposion - Rede des Phaidros

Beitragvon Prudentius » Di 6. Nov 2012, 09:23

ἃ δὲ μάλιστα καὶ ὧν ἔδοξέ μοι ἀξιομνημόνευτον


Knifflige Frage, welche Rolle der Relativsatz in der Gesamtkonstruktion spielt; auf tuton geht schlecht, das ist ja masc., "die Rede eines jeden einzelnen von ihnen", ich würde sagen, ein vorgezogener Zusatz zu logon, dem letzten Wort; sehr leger angereiht, es ist ja keine lat. Periode!, sondern lebendige Rede, Dialog;
Vorschlag: "Was mir, und von wem, davon am erwähnenswertesten erschien - ich werde die Rede berichten...", der Gedankenstrich soll die lose Verbindung anzeigen. Von "hervorhob" steht direkt nichts da, man kann das einfügen.

Die Phaidros-Rede, der Auftakt der Reihe, reichlich flach, einfach ein Referat über Eros in der Mythologie. "Alkestis" ist dabei besonders interessant, Titel einer Euripides-Tragödie.

Gruß P. :)
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Re: Symposion - Rede des Phaidros

Beitragvon Ioscius » Mo 12. Nov 2012, 21:59

Prudentius hat geschrieben:
ἃ δὲ μάλιστα καὶ ὧν ἔδοξέ μοι ἀξιομνημόνευτον


Die Phaidros-Rede, der Auftakt der Reihe, reichlich flach, einfach ein Referat über Eros in der Mythologie. "Alkestis" ist dabei besonders interessant, Titel einer Euripides-Tragödie.

Gruß P. :)


Gut, Prudenti, ich werde deinen Vorschlag annehmen und den Eros mit seiner Mythologie stärker mit in das Referat miteinbeziehen, wenn dir der Phaidros allein zu "flach" erscheint (ich habe noch eine Woche Zeit).

Und wenn auch spät, vielen Dank für deine weitere Antwort!
Es sind doch weitere Fragen aufgetaucht, die hoffentlich noch benantwortet werden können :)

1) ...οὐκ ἔστιν ὅπως ἂν ἄμεινον οἰκήσειαν τὴν ἑαυτῶν ἢ ἀπεχόμενοι πάντων τῶν αἰσχρῶν καὶ φιλοτιμούμενοι πρὸς...

Schon bei einer meiner obigen Fragen war einai ja Verbum substantivum, also Vollverb. Hier scheint es genauso zu sein. "Es kann nicht sein, dass" .. Das ὅπως bedeutet hier "dass". Perseus sagt:

a very common phrase is οὐκ ἔστιν ὅ. (οὐκ ἔσθ᾽ ὅπως) there is no way in which . . , it cannot be that,

Das einfache á½…. scheint wohl eine weitere Ausdrucksmöglichkeit gewesen zu sein, bei ὅπως scheint es sich jedenfalls wohl aus einem ehemaligen Fragesatz entwickelt zu haben ("Schau, wie du das machst = Schau, dass du das machst.). Das Problem ist nur, dass hier ὅπως nicht bei einem solchen Verb steht, auch nicht, wie Gemoll anbietet, bei einem Verbum declarandi. Kann mir irgendjemand erklären, warum hier ein ὅπως steht. Das könnte meine Dozentin fragen, warum hier diese Konjunktion steht..
Weder Gemoll, noch Bornemann-Risch, noch Kühner-Gerth konnten helfen, ich habe mich also wirklich bemüht.

2) πρῶτον μὲν γάρ, ὥσπερ λέγω, ἔφη Φαῖδρον ἀρξάμενον ἐνθένδε ποθὲν λέγειν, ὅτι μέγας θεὸς εἴη ὁ Ἔρως καὶ θαυμαστὸς ἐν ἀνθρώποις τε καὶ θεοῖς, πολλαχῇ μὲν καὶ ἄλλῃ, οὐχ ἥκιστα δὲ κατὰ τὴν γένεσιν. τὸ γὰρ ἐν τοῖς πρεσβύτατον

Ist das ἄλλῃ hier pleonastisch? Oder sollte es übersetzt werden: in vierlelei ANDERER Hinsicht?

3) ὃ γὰρ χρὴ ἀνθρώποις ἡγεῖσθαι παντὸς τοῦ βίου τοῖς μέλλουσι καλῶς βιώσεσθαι, τοῦτο οὔτε συγγένεια οἵα τε ἐμποιεῖν οὕτω καλῶς οὔτε τιμαὶ οὔτε πλοῦτος οὔτ᾽ ἄλλο

Unter den Subjekten, die das alles nicht bewirken können, ist auch συγγένεια. Nur wie soll ich das Attribut οἵα übersetzen? "Kann weder eine wie beschaffene Verwandschaft..." .. Dsa gibt doch keinen Sinn, soll das indenfinitisch über setzt werden?: "irgendeine" Ich würde das gerne sprachlich verstehen.

4) τὴν ἐπὶ μὲν τοῖς αἰσχροῖς αἰσχύνην, ἐπὶ δὲ τοῖς καλοῖς φιλοτιμίαν.

Der Bury-Kommentar sagt dazu:

αἰσχύνην...φιλοτιμίαν. Cp. Lys. XIV. 2, and 42 (in Alcib.) ἐπὶ μὲν τοῖς καλοῖς αἰσχύνεσθαι, ἐπὶ δὲ τοῖς κακοῖς φιλοτιμεῖσθαι, “taking glory for shame and shame for glory.” Remembering that Phaedrus was a professed admirer of Lysias, we may, perhaps, recognize here a verbal echo. For a discussion of αἰσχύνη (not distinguished from αἰδώς) see Arist. Eth. Nic. IV. ix. 1128^{b} 10, and Rhet. II. vi. 1383^{b} 12.

Was bedeutet das, dass Phaidros Lysias bewunderte? Hat Lysias genau diese These vertreten, dass durch Eros das Leben schön wird, indem man dem schönen hinterhereifert, die Scham vor dem Hässlichen einen abe rbegrenzt? Google-Suche wie philotimia, aischyne haben nichts gebracht :(
Mein großes Problem ist, dass ich von der Philosophie noch nicht allzu viel Ahnung habe.

5) Ist jetzt nun Eros der älteste oder einer der ältesten Götter? Eigentlich ist er meiner Überzeuigung nach einer der ältesten Götter, die sehr vertrauenswürdieg Gottwein-Homepage sagt aber, er sei der älteste (siehe Rede des Phaidros: http://www.gottwein.de/Grie/plat/sympos_komp01.php

Jetzt schonmal vielen Dank!
Ioscius
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Re: Symposion - Rede des Phaidros

Beitragvon Prudentius » Di 13. Nov 2012, 17:23

1.
οὐκ ἔστιν ὅπως


Du hast verschiedene Möglichkeiten. diese Floskel wiederzugeben, ob du nun dass oder wie sagst oder auch freier: Sie können ihr Haus nicht besser verwalten als...
"Verbum substantivum", grammatisch ausgedrückt; logisch ausgedrückt: negierter Existenzquantor: "Es gibt nicht..."

2.
Ist das ἄλλῃ hier pleonastisch?


Nein, eher schon das kai, nach unserem Gefühl, die Gr. sagen ja nicht "viele andere", sondern "viele und andere".
Der hervorgehobene Ausdruck ist nur der erste Teil einer men-de-Formel, Antithese mit stärkerer Betonung des zweiten Teils, Floskel ungefähr wie unser "u. a.".

3.
Nur wie soll ich das Attribut οἵα übersetzen?


Das ist nicht Attribut, sondern Prädikat: die Formel hoios te eimi heißt bin imstande, vermag, kann.
"Das kann weder Verwandtschaft bewirken noch..."

4. Lysias war kein Philosoph und hat auch keine Eros-Theorie vertreten, er war ein Rhetor, und dass Phädrus ihn bewunderte, passt dazu, dass er eine flache Rede hielt, er hat nämlich im Stile der Lobrede (Panegyrikos) eine Sammlung von lobenden Prädikaten geboten: er war sehr alt, ehrwürdig, bedeutend...
Platon grenzte sich stark von der Rhetorik ab, diese betrieb nämlich eine honorar-bezogene Wahrheitssuche, der Redner fand die Wahrheit immer aufseiten des Mandanten.

5.
Eros der älteste oder einer der ältesten Götter?


Such lieber im Text statt bei Gottwein! Soweit ich sehe, 178a9, c1 "einer der ältesten", 180b6, c2 der älteste, alles klar? :-D Bei den letzten beiden Stellen steht aber der Superlativ ohne Artikel, also wohl auch "mit der älteste".

Viel Erfolg!
Gruß P. :)
Prudentius
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